Hamburg: Kritik an Polizei-Ermittlungen mit Gästelisten zu einem Verkehrsdelikt

Listen zum Schutz vor dem Coronavirus bei Ermittlungen der Polizei nutzen? In Hamburg sind laut Senat fünf Fälle bekannt, bei denen das bislang geschehen ist.

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Hamburg: Kritik an Polizei-Ermittlungen mit Gästelisten zu einem Verkehrsdelikt

(Bild: Pressmaster/Shutterstock.com)

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  • dpa

Die Polizei hat in Hamburg bei Ermittlungen bislang in fünf bekannten Fällen auf Kontaktdaten von Corona-Gästelisten in Restaurants zugegriffen. Das geht aus einer Antwort des rot-grünen Senats auf eine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein hervor. "In vier Fällen handelte es sich dabei um strafrechtliche Ermittlungen durch die Kriminalpolizei und in einem Fall um Ermittlungen der Verkehrsdirektion zu einem Verkehrsunfall", hieß es. Das seien die bekannten Fälle, denn die Polizei erhebe die Zahl nicht statistisch.

"Wenn sie schon in fünf Fällen für polizeiliche Zwecke ausgenutzt wurden und mangels Übersicht eine hohe Dunkelziffer in der Umwidmung abseits der Corona-Ansteckungsverfolgung zu erwarten ist, dann belegt das alle Befürchtungen: Daten, die Bürger freiwillig für den Virusschutz geben, werden missbraucht", sagte die fraktionslose Abgeordnete. "Sogar um nur Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen." Ein solcher Fall, den die Bußgeldstelle der Innenbehörde mitteilte, geht auch aus der Senatsantwort hervor.

"Das widerspricht dem von Tschentscher, Grote & Co in Anspruch genommenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit", monierte Treuenfels-Frowein. "Es wird bei Gastwirten wie Gästen das Vertrauen in die Nutzung der Gästelisten mindern." Am Ende werde der Virusverbreitung ausgerechnet in Zeiten wieder ansteigender Infektionszahlen Vorschub geleistet, um Verkehrssündern oder anderen schwarzen Schafen auf die Spur zu kommen." Der Senat betonte in seiner Antwort, die Hamburgische Sars-CoV-2-Eindämmungsverordnung erlaube in gewichtigen Einzelfällen, die Gästelisten bei Ermittlungen zu nutzen.

Ein Polizeisprecher schilderte auf dpa-Anfrage einen der Hamburger Fälle von Ende Juni: Ein Mann habe in dem Park Planten un Blomen mehrere Menschen mit einem Messer bedroht. 13 versuchte gefährliche Körperverletzungen seien gezählt worden. Glücklicherweise sei aber niemand verletzt worden. Bei der Verfolgung hätten Zeugen in einem Lokal wichtige Hinweise gegeben, wohin der Mann weggelaufen sei. So sei die Festnahme gelungen. Als Beamten später zu dem Lokal zurückkamen, um von den Zeugen mehr zu erfahren, seien sie nicht mehr da gewesen. Deshalb habe man die Gästeliste benutzt, um die Zeugen für eine Befragung zu finden und zu klären, ob es noch weitere Opfer gab. "Es stand eine Straftat von besonderer Bedeutung im Raume", erklärte der Polizeisprecher.

Das Erfassen von Gästedaten in Restaurants, Kneipen, Kinos und Hotels soll eigentlich dem Nachverfolgen potenzieller Coronavirus-Infektionsketten dienen. Dass diese Daten auch von Ermittlungsbehörden genutzt werden, sieht der Dachverband des Hotel- und Gaststättengewerbes Dehoga allerdings kritisch und hält den polizeilichen Zugriff auf solche Informationen für ein "hochsensibles Thema". Der bayerische Innenminister Herrmann (CSU) hatte die polizeiliche Praxis verteidigt und darauf verwiesen, dass diese Informationen nur bei "schweren Straftaten" genutzt würden.

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(tiw)