Klassiker neu gelesen: Bio-Quantenphysik

Als Erwin Schrödinger 1940 vor den Nazis nach Dublin floh, hatte er einen prominenten Platz in der Wissenschafts­geschichte schon sicher.

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Damals ging es nicht um seine berühmte Katze, sondern um die „Schrödinger-Gleichung“. Bereits 1926 legte der Österreicher damit die Grundlage für die praktische Anwendung der Quantenmechanik. Das brachte ihm 1933 den Physik-Nobelpreis ein. Im irischen Exil schuf er 1943, eher nebenbei, einen weiteren Meilenstein. In drei Vorlesungen vor rund 400 Zuhörern sprach er über das Thema „Was ist Leben?“. Ein Jahr später veröffentlichte er die Lesung in einem schmalen Bändchen. Es wurde viele Dutzend Male rezensiert und zehntausendfach verkauft.

Um eine Definition des Lebens geht es darin allerdings weniger, sondern eher um die Frage, warum Erbinformationen relativ stabil über viele Generationen hinweg erhalten bleiben, statt der Thermodynamik zum Opfer zu fallen. Schrödinger erklärt dies zu einer Zeit, als noch kaum etwas über die genaue Beschaffenheit der Erbsubstanz bekannt war, unter anderem mit Argumenten aus der Quantenphysik. Nobelpreisträger wie Linus Pauling, Max ­Perutz und Francis Crick haben diese Erklärungen später harsch zerpflückt.

„Das alles wurde allerdings erst Jahrzehnte im Nach­hinein geäußert, als längst feststand, dass ,Was ist ­Leben?‘ zu den wichtigsten Wissenschaftsbüchern aller Zeiten zählt“, schreibt Karl Sigmund, Mathematikprofessor an der Uni Wien, in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Die Bedeutung des Buches liege weniger in seinem Inhalt als in seiner „stupenden Wirkung“: „Es bestimmte den Lebensweg einer ganzen Kohorte von brillanten Köpfen.“ Viele junge Physiker waren, so Sigmund, nach dem Krieg der militärischen Forschung überdrüssig, wechselten nach der Lektüre Schrödingers ihr Fach und schufen eine neue Wissenschaft – die Molekular­genetik.

Darunter war auch der spätere Kritiker Crick. Knapp zehn Jahre nach der Veröffentlichung entschlüsselte er mit James Watson und Rosalind Franklin die Struktur der Erbsubstanz – und bedankte sich schriftlich bei Schrödinger für die Inspiration.

Erwin Schrö­dinger: „Was ist Leben?“, Piper, 156 Seiten, 10 Euro (E-Book: 8,99 Euro)

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(bsc)