Uber: Sozialversicherung Light für Arbeiter in der "Gig Economy"?

Mit einem neuen Status zwischen Angestellten und selbstständigen Mitarbeitern will Uber die Konflikte um die "Gig Economy" entschärfen.

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Fahrer von Lyft und Uber werben in Sacramento, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Kalifornien, für ein Gesetz, das ihnen Angestelltenrechte verschaffen soll.
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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In einem Gastkommentar in der New York Times wirbt Uber-Chef Dara Khosrowshahi für einen Umbau der Arbeitsgesetze. Dies würde dem Unternehmen ermöglichen, weiter wie bisher zu operieren, aber den Fahrern einen besseren Zugang zu Leistungen wie Krankenversicherungen oder bezahltem Urlaub bieten.

Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der Uber gerade an seinem Unternehmenssitz in Kalifornien Probleme mit seinem angestammten Geschäftsmodell bekommt. So hat ein Gericht die Fahrvermittler Uber und Lift per Einstweiliger Verfügung verpflichtet, ihre Fahrer als Angestellte zu klassifizieren. Beide Unternehmen wollen gegen die Entscheidung vorgehen und unterstützen zudem eine Volksinitiative, mit der im November eine Ausnahmegenehmigung für die Fahrvermittler bei den seit 2019 beschlossenen Arbeitsgesetzen durchgesetzt werden soll.

In seinem Beitrag gesteht Khosrowshahi ein, dass sein Unternehmen einen schlechten Ruf aufgebaut hat, und dass Kritiker daher in Ubers Vorstoß lediglich einen Versuch sehen, die eigenen Kosten zu senken. "Ich verstehe, warum sie das denken, wenn man die Geschichte unseres Unternehmens betrachtet", schreibt der Uber-Chef.

Dennoch sei den Fahrern nicht damit gedient, wenn man sie jetzt zu Angestellten umdefiniere. Zum einen müsste Uber in diesem Fall seine Dienste reduzieren, sodass weniger Fahrer ein Auskommen finden. Zum anderen hätten viele Fahrer kein Interesse daran, zu Angestellten zu werden, weil diese die Flexibilität der Plattformarbeit zu schätzen wüssten.

In einem 18-seitigen Plan verspricht Uber wesentliche Verbesserungen für die Fahrer, wenn die Gesetzgeber dem Ansinnen der Gig-Plattformen entgegenkomme. So will der Plattformbetreiber einen Fonds anlegen, auf den Arbeitnehmer je nach geleisteten Arbeitsstunden nach freiem Belieben zugreifen könnten. So seien viele Uber-Fahrer nicht auf die Krankenversicherung angewiesen, da sie bereits auf anderen Wegen versichert seien. Konkrete Zahlen nennt Uber hier aber nicht.

Laut eigener Rechnung hätte Uber im vergangenen Jahr 655 Millionen Dollar in diesen Sozialfonds eingezahlt. Für den einzelnen Fahrer, der 35 Stunden pro Woche in Colorado fährt entspräche das 1350 Dollar - was entweder für eine bezuschusste Krankenversicherung oder einen kurzen Urlaub ausreiche. Angesichts der aktuellen Umsatzausfälle sind solche Berechnungen aber nicht allzu aussagekräftig.

Mit der von Uber angestrebten neuen Regelung sollen Fahrer von den Plattformen verpflichtend gegen Unfälle abgesichert werden. Zudem verspricht Uber, bei einigen der seit Jahren vorgebrachten Kritikpunkte gegen das Unternehmen entgegenzukommen. So sei man durchaus bereit mit Repräsentanten zu reden, die "die Interessen der Fahrer und Essenslieferanten glaubwürdig vertreten". Zudem will das Unternehmen den Fahrern einen besseren Überblick geben, wie viel sie tatsächlich verdienen können.

In Krisenzeiten kommt Uber eine besondere Rolle zu. So verweisen die Wissenschaftlerinnen Lindsey Cameron und Alex Rosenblat in einem Beitrag darauf, dass die Gig-Plattformen gerade nach der Weltfinanzkrise 2008 ihren Aufstieg erlebten. Viele Amerikaner hatten damals ihre Arbeitsplätze verloren und waren auf der Suche nach Gelegenheiten, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Hier seien Plattformen wie Uber als eine Art soziales Netz genutzt worden, bis wieder adäquate Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden hatten. Von der Flexibilität spüren diese Fahrer aber wenig: So berichten Cameron und Rosenblat von Fahrern, die im Auto übernachten, damit ihnen vom Uber-Algorithmus lohnende Fahrgebiete zugeteilt werden.

Bisher profitierten die Gig-Arbeiter von einer neuen Ausnahmebestimmung, wonach auch Bürger ohne Angestellten-Status die staatliche Hilfe von bis zu 600 Dollar pro Woche in Anspruch nehmen konnten. Allerdings reichte das Geld in der Praxis kaum aus, sodass viele Fahrer auch auf finanzielle Hilfe aus dem Familien- und Freundeskreis angewiesen seien. Wie die finanzielle Unterstützung durch den Staat in den kommenden Monaten aussehen wird, ist derzeit noch unklar, da sich Regierung und Parlament nicht auf ein erneuertes Krisen-Paket geeinigt hatten und der US-Präsident Donald Trump per Regierungsdekret nur einen Teil der Hilfen verlängern will, wenn Bundesstaaten eigene Mittel zuschießen.

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