Hi-Hat auf halb zehn

Sensoren an Füßen und Trommelstöcken sollen ein ganzes Schlagzeug ersetzen. Funktioniert das?

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Hi-Hat auf halb zehn

(Bild: Freedrum Studios AB)

Lesezeit: 3 Min.

Schlagzeug spielen ohne Schlagzeug – das klingt verlockend. Das schwedische Start-up Freedrum hat ein Drumset entwickelt, das lediglich aus vier feuerzeuggroßen Sensoren besteht. Sie werden mit elastischen Schlaufen über Trommelstöcke und Füße gestreift und per Bluetooth mit der dazugehörigen App verbunden.

Dazu brauche ich allerdings Geduld und das richtige Gerät. Zunächst quengeln die Sensoren nach einem Firmware-Update. Das geht nur mit einer speziellen App, die man zusätzlich herunterladen muss. Auf meinem Smartphone mit Android 8.1 funktioniert das Update zwar, sonst aber nichts. Kollege Ben Schwan probiert es mit iOS und klagt über „fürchterliche Latenzen“. Auf einem MacBook bekomme ich das virtuelle Schlagzeug endlich zum Laufen. Nun kann ich mir ein Drumset einrichten. Ich entscheide mich für fünf Trommeln und zwei Becken. Die Instrumente kann ich am Bildschirm auf zwei Halbkreisen platzieren und für jedes einzelne Klang, Lautstärke und Hall einstellen. Die Auswahl an mitgelieferten Sounds ist allerdings ziemlich dürftig.

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Bevor ich loslege, muss ich zur Kalibrierung Stöcke und Füße gerade halten und kurz auf die Schalter der Sensoren drücken. An dieser Grundstellung orientieren sich die Sensoren dann: Halte ich die Stöcke flach, sollen nur die Trommeln auf dem unteren Halbkreis angesprochen werden, halte ich sie steiler, die Becken darüber. Unten auf neun Uhr sollte also irgendwo die Snare Drum ertönen, oben auf halb zehn die Hi-Hat.

So zumindest die Theorie. Am Anfang treffe ich entweder gar nichts oder mehreres gleichzeitig. Kein Wunder: Ich spiele wie gewohnt aus dem Handgelenk. Dabei verändert sich logischerweise laufend der Winkel der Sticks. Um gezielt nur einzelne Trommeln oder Becken anzusprechen, muss ich aber die Handgelenke steif halten und nur den Unterarm bewegen. Das fühlt sich falsch an.

Mit der Zeit gelingt es mir trotzdem, etwa die Hi-Hat koordiniert zur rechten Hand zu öffnen. Dies geschieht durch den linken Fuß oder durch ein kurzes Drehen des Sticks. Doch geht das nie lange gut, denn die Sensoren verdrehen sich gern auf den Sticks und reagieren dann nicht mehr richtig. Überhaupt scheinen mir die Trefferzonen regelmäßig zu wandern. Die Snare ist dann nur noch unter Verrenkungen zu erreichen, das Crashbecken versteckt sich. Oder die Sensoren wechseln die Seiten, und der linke Fuß ist plötzlich für die Base Drum zuständig.

Mit einiger Übung kann man dem System sicherlich brauchbare Schlagzeugtöne entlocken. Doch will ich mir dafür wirklich völlig neue Bewegungsabläufe angewöhnen? Andere virtuelle Schlagzeuge sind toleranter. Die britischen „Aerodrums“ etwa arbeiten mit einer optischen Bewegungserkennung per Kamera und Reflektoren an Stöcken und Füßen. Der Vorteil: Die Instrumente haben eine feste Position im Raum und lassen sich wie ein normales – nur eben unsichtbares – Schlagzeug spielen. Allerdings funktioniert das System nur stationär und in geschlossenen Räumen.

Mit einigen Software-Änderungen ließe sich Freedrum deutlich verbessern – zum Beispiel durch eine feste Zuordnung der Fußsensoren zu Hi-Hat und Base Drum. Dann könnte man sich wenigstens auf die kapriziösen Sticks konzentrieren. Der Hersteller plant übrigens eine neue, technisch verbesserte Variante der Freedrum-Hardware, die gleichzeitig auch einen Aboservice mit Drum-Inhalten bringt – beides erscheint im kommenden Jahr.

Produkt: Freedrum
Hersteller: Freedrum Studio AB
Preis: 121 Euro (zwei Sensoren), 210 Euro (vier Sensoren)

(bsc)