Amazon: Mit Geheimdienst-Methoden gegen Gewerkschafter und kritische Politiker

Bei Amazon erschnüffeln "Intelligence Analysts" Ansätze gewerkschaftlicher Organisierung und sammeln Material für Gerichtsverfahren. Auch Händler werden beäugt.

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Amazon: Mit Geheimdienst-Methoden gegen Gewerkschafter und kritische Politiker

(Bild: Ioan Panaite/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Eine Stellenanzeige Amazons lässt tief blicken: Gesucht wurde ein "Intelligence Analyst" für das Global Intelligence Program (etwa "weltweites Spionageprogramm") der Amazon-Abteilung Global Security Operations (etwa "weltweite Sicherheitseinsätze"). Der neue Mitarbeiter soll ein Team ergänzen, das taktische und strategische nachrichtendienstliche Produkte für Amazons Führungsetage bereitstellt. Ziel der Überwachung: Gewerkschafter, Aktivistengruppen und "feindliche" Politiker. [Update 21:25 Uhr] Laut Amazon war die Stellanzeige ein Versehen. [/Update]

Die Anzeige betont, wie essentiell es für Amazons Management ist, nachrichtendienstliche Informationen aus aller Welt zu haben, die zu konkreten Maßnahmen führen – Maßnahmen, die der Intelligence Analyst selbst vorschlagen soll. Der Begriff des Intelligence Analyst bezeichnet in Nordamerika in der Regel bestimmte Mitarbeiter staatlicher Geheimdienste.

Auch bei Amazon geht es darum, "heikle, streng geheime" Themen zu bearbeiten. Dazu gehören Versuche von Mitarbeitern, sich zu organisieren, um gemeinsam Interessen zu vertreten. Amazon nennt das "threats", also "Bedrohungen". Der Intelligence Analyst soll aber auch herausfinden und überwachen, wie Mitarbeiter und Gewerkschafter Geld für Kampagnen gegen Amazon sammeln.

[Update 21:25 Uhr]: "Die Stellenanzeige war keine genaue Beschreibung der Arbeit – sie erfolgte versehentlich und wurde seither berichtigt", sagte Amazon-Sprecherin Maria Boschetti zu heise online Mittwochabend. Das einschlägige Team von Analysten helfe dabei, Amazon auf Einwirkungen von Außen vorzubereiten, beispielsweise Unwetter, Stromausfälle, oder große Versammlungen wie bei Konzerten oder Demonstrationen, die den Verkehr stören oder die Sicherheit von Amazon-Gebäuden und -Mitarbeitern beeinträchtigen könnten. Die ausgeschriebene Stelle sollte dieses Team unterstützen, habe aber nicht die Vorstellungen dieser Gruppe über ihre tägliche Arbeit widergespiegelt. [/Update]

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Im Verlauf der Stellenausschreibung wird klar, dass ein mehrköpfiges Team am Werk ist: Manche Analysts werden nämlich damit beauftragt, direkt den Chefjustiziar des Konzerns zu unterstützen. Sie sollen Material sammeln, mit dem Anwälte bei Gericht Verbotsverfügungen gegen Aktivisten erwirken können. Dabei sollen sie nicht bloß Rechtsverletzungen dokumentieren, sondern dem Gericht glaubhaft machen, dass Aktivisten "Absichten für fortgesetzte rechtswidrige Aktivitäten gegen Amazon hegen".

Screenshot der Stellenanzeige

(Bild: Amazon/Screenshot)

Um auf dem Laufenden zu bleiben, sollen die Analysts ständige Beziehungen zu Experten aufbauen. Gemeint sind offenbar Informanten über Hass schürende Gruppen, Initiativen für juristische Reformen, geopolitische Themen, Terrorismus, Rechtsdurchsetzung und gewerkschaftlicher Organisation.

Neben den Mitarbeitern und ihren Vertretern werden auch Händler überwacht, um sie zu besserer "Performance" anzuhalten. Ob damit nur Amazon-Lieferanten gemeint sind, oder auch Händler, die über Amazons Webseiten Waren feilbieten, ist nicht ganz deutlich. Jedenfalls sollen die Analysten regelmäßig mit den Händlern Kontakt aufnehmen und ihnen verständlich machen, was Amazon von ihnen erwartet. Es gilt, über nicht erfüllte Erwartungen Buch zu führen, den Händlern die gewünschten Ausgleichsmaßnahmen näherzubringen, und gegebenenfalls härtere Maßnahmen einzuleiten.

Die Stellenausschreibung kursierte Dienstagmorgen auf Twitter. Nachdem das US-Nachrichtenmagazin Business Insider Amazon Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hatte, verschwand die Anzeige.

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(ds)