Klassiker neu gelesen: Vorsicht, Fernwirkung!

Dörners "Logik des Misslingens" lehrt uns viel für heutige Zeiten.

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Den Bewohnern des Tanalands geht es eher schlecht als recht. Sollte es Entwicklungshelfern mit gutem Willen, diktatorischen Vollmachten und unbegrenzten Ressourcen nicht ein Leichtes sein, die Lage zu verbessern? Tatsächlich verursachten sie im Schnitt innerhalb von 88 Monaten eine Hungerkatastrophe. Gott sei Dank nur im Rechner, denn Tanaland ist eine Simulation, die Bamberger Psychologen um Dietrich Dörner programmiert haben, um die typischen Fehler im Umgang mit komplexen Systemen zu untersuchen.

Im Tanaland etwa führten viele Versuchspersonen erst einmal Kunstdünger und künstliche Bewässerung ein. Das brachte zwar eine lineare Zunahme des Nahrungsangebots, aber auch einen exponentiellen Zuwachs der Bevölkerung. „Anstehende Probleme wurden gelöst, ohne dass die dabei entstandenen Fernwirkungen gesehen wurden“, schreibt Dörner 1989 in „Die Logik des Misslingens“. „Man kann nicht nur eine Sache tun. Man macht immer mehrerlei, ob man will oder nicht.“

Das Tanaland ist nur eines der vielen Systeme, die Dörner und sein Team seit den frühen Achtzigern modelliert haben. In anderen Simulationen mussten Probanden eine Kleinstadt regieren oder eine Fabrik managen und sich dabei mit intransparenten Variablen auseinandersetzen, die sich verstärken oder abschwächen, linear oder exponentiell wachsen, verzögert oder unmittelbar wirken.

Viele flüchteten in die „Projektemacherei“ – etwa indem sie sich völlig vom Bau eines Bewässerungskanals absorbieren ließen. Andere drehten mal an dieser, mal an jener Stellschraube herum – beides zuverlässige Strategien, um kom­plexe Systeme gegen die Wand zu fahren.

Patentrezepte liefert Dörner nicht: „Manchmal ist es notwendig, genau zu analysieren, manchmal sollte man nur grob hingucken. Manchmal sollte man viel Zeit und Energie in die Planung stecken, manchmal sollte man genau dies bleiben lassen. Manchmal sollte man sich seine Ziele genau klarmachen, manchmal einfach ,loswurschteln‘.“ Die gute Nachricht ist: Man kann das Denken in Sys­temen offenbar lernen. Erfah­rene Manager erzielten in den Simulationen signifikant bessere Ergebnisse als Studierende.

Dietrich Dörner: „Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen“. Rowohlt, 352 Seiten, 11 Euro (E-Book: 9,99 Euro)

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(bsc)