Post aus Japan: Auf dem Weg zum autonomen Bauen

In Nippon konkurrieren Baukonzerne und Baumaschinenhersteller um die Plattform der Zukunft. Nicht Profit verschärft den Druck, sondern der Arbeitskräftemangel.

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Post aus Japan: Auf dem Weg zum autonomen Bauen

(Bild: Martin Kölling)

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Die Baustelle der Zukunft wird in den Bergen der japanischen Präfektur Mie entworfen. Beim Kawakami-Staudamm-Projekt setzt der japanische Baukonzern Obayashi neueste Bautechnik ein. Drohnen vermessen regelmäßig die Baustelle in drei Dimensionen, um im Managementsystem die analogen Erdarbeiten digital nachzuzeichnen. Smarte Baumaschinen, die dank GPS-System genau ihren Standort auf der Baustelle kennen, erhöhen die Effizienz der humanen Fahrer.

Darüber hinaus haben die Baumaschinen Fahrzeugmanagementsysteme mit Infrarotkameras an Bord. Sie lassen sich sogar teilweise fernbedienen. Derweil wird der Gesundheitszustand der Bauarbeiter fernüberwacht, um deren Sicherheit zu erhöhen. Rund 20 neue Technologien werden getestet und weiterentwickelt. Und als Höhepunkt der Bemühungen ragt nun noch der Vorfahr eines autonomen Turmdrehkrans in die Höhe, dem Obayashi das selbständige Heben von Lasten beibringen will.

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Der Aufwand hat ein Ziel: In den kommenden zehn Jahren hofft der Baukonzern, die technischen Errungenschaften zusammen mit künstlicher Intelligenz und Servertechnik zu einer vollständigen Plattform für das Baustellenmanagement zu verbinden. Dann wollen die Japaner nicht nur selbst immer mehr autonome Baumaschinen einsetzen, sondern sich auch zum globalen Plattformanbieter entwickeln.

Der Bauriese, der voriges Jahr fast 18 Milliarden Euro Umsatz machte, muss sich allerdings beeilen. Selbst im eigenen Land hat er Wettbewerber, und die nicht nur unter den anderen Bauriesen des Landes. Der Baumaschinenhersteller Komatsu arbeitet ebenfalls seit Jahren daran, nicht nur smarte Maschinen, sondern eine smarte Baustelle zu entwickeln.

Das Wettrennen kostet. Laut der japanischen Wirtschaftszeitung investiert Obayashi jährlich 20 Milliarden Yen (160 Millionen Euro) in die Digitalisierung seiner Baustellen. Denn mehr noch als Kostendruck und Gewinnstreben drängt ein anderer Aspekt Japans Bauindustrie zur Rationalisierung: der wachsende Mangel am Faktor Mensch.

Durch die Alterung der Gesellschaft sinkt nicht nur die Arbeitnehmerschaft in Japan insgesamt, sondern vor allem die Zahl der Facharbeiter in der Bauindustrie. Daher versuchen die Baumaschinenhersteller und Baukonzerne nun, deren wertvolles Fachwissen in digitale Systeme ĂĽbertragen, die danach immer mehr Arbeitsschritte ĂĽbernehmen.

Doch nicht nur sinkt so der Personalbedarf. Gleichzeitig erlaubt die Technik Effizienz der Bauplanung sprunghaft zu erhöhen. Der Baumaschinenhersteller Komatsu hat das auf einer Testbaustelle vorgeführt. Ein Ingenieursteam hatte nach einer mehrtägigen Vermessung der Baustelle geschätzt, dass 14.000 Kubikmeter Erde bewegt werden müssten.

Eine Drohne flog die Baustelle einmal ab, schoss einige hundert Bilder, die im Datenzentrum gemeinsam mit Positionsdaten von Satelliten zu einer bis auf drei Zentimeter genauen dreidimensionalen Karte umgerechnet wurden. Und plötzlich waren 17.600 Kubikmeter.

Post aus Japan
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Der Unterschied entsprach 600 Kipplastern. Der Unterschied: Ein Team hochbezahlter Vermesser konnte 100 Datenpunkte aufnehmen und mussten den Rest schätzen. Die Drohne vermaß in einer Viertelstunden 15 Millionen Punkte.

Gleichzeitig hatten die smarten Baumaschinen den Vorteil, dass auch ungelerntes Personal schnell komplizierte Baggervorgänge ausführen konnte. Selbst der Autor konnte damals eine große Schaufel führen, weil die von Facharbeitern geschulte Technik ein Großteil der Feinarbeit übernahm – und grobe Schnitzer erschwerte.

(bsc)