Digitale Souveränität: "Kaufen Sie deutsch"

Behörden sollten ihre Beschaffungsmacht nutzen, um Deutschland in der Informationstechnik unabhängiger zu machen, fordert der KI-Unternehmer Stefan Wess.

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Digitale Souveränität: "Kaufen Sie deutsch"

(Bild: ÖFIT)

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"Kaufen Sie deutsch", fordert Stefan Wess, Geschäftsführender Gesellschafter der KI-Firma Empolis Information Management von den Behörden. Damit brachte er auf den Punkt, was er für eine "Digitale Souveränität" als wichtig ansieht, dem Motto des Online-Thementags des Behörden-Spiegels. Das Thema wird in Deutschland spätestens seit der Debatte über Abhängigkeiten von Huawei im Bereich 5G und von Microsoft bei Betriebssystemen und Bürosoftware diskutiert.

Russland und China habe er zunächst für ihre ersten Schritte belächelt, eigene Betriebssysteme und Prozessoren zu entwickeln, erinnerte sich Wess. Mittlerweile denkt er: "Es war smart, sich aus dem Würgegriff zu entziehen." Bei Gruner + Jahr sei es in den ersten Hypezeiten des Internets darum gegangen, Firefly als Google-Konkurrent aufzubauen, weiß Wess, früher Chef eines Tochterunternehmens von Bertelsmann Arvato. Der Verlag habe letztlich aber "kein Zukunftsfeld" in Suchmaschinen gesehen. 20 Jahre später seien viele Nutzer nun völlig abhängig von Google und damit auch erpressbar.

Um nun in Industrie, Landwirtschaft und Verwaltung digitale Souveränität zu erreichen, braucht es laut Wess Mut, Willen, Geduld und Geld. Ämter wären im Vorteil, wenn sie mit hiesigen kleinen und mittleren Unternehmen zusammenarbeiten. Damit lobte Wess die größere Bereitschaft der Behörden, Quelltext zu hinterlegen und auf Open Source zu setzen. Damit lasse sich ein Desaster leichter verhindern: "Ich kann im Prinzip im Anschluss andere auswählen."

Die Beschaffung durch die öffentliche Hand sei "ein wichtiger Schlüssel", bestätigte Thomas Jarzombek (CDU), Beauftragter für digitale Ökonomie im Bundeswirtschaftsministerium. Deutsche Firmen sollten zudem "nicht von Kapital aus China oder den USA abhängig sein". Daher umfassten die staatlichen Fördertöpfe für Zukunftstechnik wie Weltraumraketen, Flugtaxis oder Quantencomputer mittlerweile rund 20 Milliarden Euro. Der Staat könne hier aber nicht alles selbst machen oder nur mit großen Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer kooperieren. Diese seien in der Grundlagenarbeit zwar super, aber nicht in der Umsetzung.

"Wir werden das Problem nur mit neuen Akteuren lösen können", meinte Jarzombek. Tesla habe das E-Auto groß gemacht und SpaceX fliege nun zur ISS. Es brauche den Wettbewerb, während der von den USA und China praktizierte Protektionismus "brandgefährlich" sei.

Die Politik müsse sich bei wichtigen staatlichen Kernfähigkeiten mehr engagieren, wünschte sich Wilfried Karl, Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis). 1999 habe Siemens noch am Mobilfunknetz in China wesentlich mitgebaut und die Technik von Vermittlungsanlagen und Routern über Endgeräte bis hin zu Überwachungsanlagen geliefert. Heute sei Deutschland dagegen sehr abhängig zum Beispiel bei Big-Data-Analysen "von Systemen aus dem Nicht-EU-Ausland".

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Souveränität bedeutet für Karl nicht, "auf Biegen und Brechen in allen Bereichen" autark zu sein. Es müsse aber zumindest Prüfmöglichkeiten geben etwa für KI-Werkzeuge. Der Staat sollte zudem "eine Garantie übernehmen" für Weiterentwicklung und Betrieb einer Technik, wenn einem wichtigen Anbieter aus der Industrie mal die Luft ausgehe. Der Mittelstand müsse gezielt auch im Sicherheitsbereich durch Aufträge gefördert und der Personalaustausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung erleichtert werden. Wenn ein Bewerber keinen formalen Bildungsabschluss habe, dürfe dies nicht sofort ein Einstellungshindernis sein.

"Wir müssen den Rahmen für mehr Flexibilität schaffen", betonte auch Mario Walther, Geschäftsführer der Beratungsfirma Accenture. Vielversprechend sei hier das Modell von Gaia-X für eine von Staat und Wirtschaft gemeinsam vorangetriebene Cloud. Amazon, Alibaba, Google oder Microsoft würden zwar nicht automatisch ausgeschlossen, alle Beteiligten müssten aber Open Source nutzen, um Daten über eine offene Schnittstelle austauschen zu können. So lasse sich "genug Verhandlungsmacht aufbauen" für eine europäische Regulierung mit potenziellen Alternativen.

(anw)