KI-Start-up: "Gründen geht ganz leicht"

Sven Körner war überrascht, wie einfach es ist, ein Start-up zu gründen. Die Software mit künstlicher Intelligenz kommt gut an, die Firma wächst. Was dann?

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KI-Start-up: "Gründen geht ganz leicht"

(Bild: Kowit Lanchu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg

Sven Körner, 41, hat Informatik studiert und anschließend in Software-Engineering und Sprachverarbeitung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) promoviert. Heute sagt man dazu Natural Language Processing (NLP) und Künstliche Intelligenz (KI). Während seiner Promotion hat Körner in einem Start-up gearbeitet, das Software für große Cloudanbieter entwickelt. "Bei ersterem habe ich das Handwerk für Forschung und neue Technik gelernt, auch der Neugier zu folgen, etwas Neues zu schaffen. In letzterem habe ich erfahren, wie Ideen aus dem Elfenbeinturm umgesetzt werden und eine Firma mit einer Innovation Geld verdient", sagt Körner.

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Diese doppelte Rolle war für ihn zwar eine anstrengende Zeit, aber eine passende Ausbildung, für das, was dann 2017 folgte: die Gründung des Unternehmens thingsTHINKING mit drei Partnern. Körner ist CEO der Firma für künstliche Intelligenz und mit dem Produkt Semantha. Ein Gespräch über Unternehmensgründung, künstliche Intelligenz und die Zukunft des Start-ups.

Herr Körner, wie laufen die Geschäfte?

Start-up-Gründer Sven Körner

Stand heute sind wir voll im Plan dessen, was wir uns bei der Gründung vorgenommen haben. Das Team ist auf 23 Personen angewachsen, wir haben tolle Kunden - meist große Firmen - und sind jetzt auf dem Sprung in die nächste Wachstumsphase. Spannenderweise hatten wir mit dem Markt und unseren Kunden so viel Glück, dass wir bis auf eine kleine Anschubfinanzierung kein Fremdkapital benötigten.

Was kann Ihre künstliche Intelligenz mit Namen Semantha?

Unsere Software versteht natürliche Sprache unabhängig von der Wortwahl. Sie ist in der Lage, große Mengen Text zu lesen und findet gesuchte Inhalte, ganz gleich wie diese formuliert wurden. Ein Beispiel: Jemand sucht über die Suchfunktion in einem Dokument den Satz "Die Fahrbahn war vereist". In dem Dokument aber steht: "Die Straße war glatt". Obwohl beide Sätze das Gleiche bedeuten, gibt es bei der klassischen Suche keinen Treffer, weil unterschiedliche Worte verwendet wurden. Unsere Software findet die Sätze mithilfe künstlicher Intelligenz. Semantik heißt Bedeutung, daher die Namensgebung für unser Produkt Semantha.

Wer nutzt die Lösung für welche Zwecke?

Produzierende Unternehmen aus beispielsweise der Automobilindustrie oder dem Maschinenbaukämpfen kämpfen sich täglich durch einen hohen Berg an Ausschreibungen, Anfragen und Lieferbedingungen. Versicherungen ersticken in Bedingungswerken sowie Sondervereinbarungen und Rechtsabteilungen wühlen sich tagelang durch Akten und Urteile. Allen ist mit unserer Lösung geholfen, weil sie schnell und automatisch gesuchte Passagen findet.

Wie läuft das in der Praxis ab?

Wir bieten eine Saas Plattform, die natürliche Sprache nach ihrer Bedeutung verarbeitet und sich nicht um Formulierung, Wortwahl oder Landessprache kümmert. Das ist etwas, was bisher Menschen in einem manuellen Prozess machen. Realistisch betrachtet verbringen Wissensarbeiter – und das sind wir inzwischen fast alle – rund ein Drittel ihrer Zeit damit, die benötigten Daten und Unterlagen zu suchen, zu finden und passend zusammenzustellen.

Der Bedarf an einer Lösung bestand also, war die Gründung des Unternehmens schwierig?

Nein, herausfordernd ist allein die persönliche Entscheidung, einen solchen Schritt zu gehen. Mich fasziniert nach wie vor, wie viele Menschen einem mitteilen, dass sie so etwas nie gewagt hätten, aber es super finden. Ich denke, dass viele einfach das Risiko scheuen. Ich habe eher die Chance gesehen und wir wurden dafür belohnt: Jeder Mitarbeiter bei uns hat seit der Gründung seinen Wert am Arbeitsmarkt vervielfacht, auch das Gründerquartett. Das sehen wir bei den regelmäßigen Jobangeboten, die alle von uns bekommen. Daher können wir uns alle in Sicherheit wiegen, dass, wenn das Experiment thingsTHINKING auf Dauer nicht funktioniert, jeder einen lukrativen Job woanders bekommt. Ob diese Vermutung tatsächlich eintrifft, will jedoch keiner von uns wirklich wissen.

Gründen ist kein Drama …

… Nein, man sollte es aber mit der notwendigen Überzeugung tun. Wer ohne eigenes Risiko arbeiten möchte, dem raubt eine eigene Firma den ruhigen Schlaf in der Nacht und die Tage werden angespannt. Als Gründer muss man übertrieben optimistisch sein und Rückschläge rasch wegstecken können.

Wie ist das Umfeld für KI bei uns? Wird die Technik angenommen, besteht Bedarf, worin haben die Menschen Bedenken hinsichtlich KI?

Die Wahrnehmung von KI und deren potenzielle Wertschöpfung ist in Deutschland leider wenig verbreitet. Die meisten wissen nicht, was Künstliche Intelligenz ist und leisten kann. Deshalb wird sie spärlich genutzt, obwohl es tausende Möglichkeiten dafür gäbe. Informatiker mit ihrem Fachwissen können die Potenziale von KI nicht erschließen, sondern lediglich die technischen Grundlagen schaffen. Die Lösung besteht darin, unseren Schatz an Ingenieurs- und Tüftlerwissen mit KI zu kombinieren und optimieren, dann entstehen gute KI-Lösungen.

Was ist Ihr unternehmerisches Ziel: lukrativ von einem Konzern übernommen zu werden? Darum geht es Start-ups häufig.

Wir haben einen Plan, wie sich das Unternehmen entwickeln soll, der bis ins Jahr 2026 reicht. Die darin definierten unternehmerischen Ziele helfen ganz klar, um die nächsten Schritte zu planen, Ziele zu stecken und das Unternehmen entsprechend zu steuern. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, so gute Arbeit zu leisten, dass bis 2026 Anfragen und Interesse von großen und bedeutenden Unternehmen für die Übernahme von thingsTHINKING vorliegen. Ob wir dann akzeptieren oder einen anderen Plan haben, steht auf einem anderen Blatt.

Wie ist Ihr Plan?

Ab einer gewissen Größe des Unternehmens, die liegt bei 150 bis 200 Mitarbeitern, müssen wir entscheiden, ob wir die dann notwendige Verwaltung aufbauen, oder uns dort eingliedern, wo solche administrative Infrastruktur vorhanden ist. Zudem werden wir das Problem haben, passend zu wachsen, weil Risikokapital nicht nur für die Gründungs-, sondern auch in den Wachstumsphasen zögerlich fließt. Eine realistische Alternative um an Wagniskapital zu kommen, besteht für uns im Ausland. Damit können wir wachsen und kommen so an die Grenze, an der wir entscheiden, ob selbst weitermachen oder verkaufen.

(axk)