Warum TikTok in den USA weitermachen darf

Ein Richter hat Donald Trumps TikTok-Verbot für unwirksam erklärt. Nun liegt die Begründung vor: Trump darf TikTok gar nicht verbieten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 245 Kommentare lesen
Warum TikTok weitermachen darf

(Bild: Frederic Legrand - COMEO/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Nachdem ein US-Bundesrichter am Sonntag eine einstweilige Verfügung erlassen hat, entfaltet das von US-Präsident Donald Trump über TikTok verhängte Verbot vorerst keine Wirkung. Am Montag wurde die zunächst geheim gehaltene Begründung veröffentlicht. Darin wird deutlich, dass ein Bundesgesetz dem Präsidenten genau das nicht gestattet, was Trump versucht hat: Einen Informations- und Kommunikationsdienst zu blockieren.

Dabei war die juristische Hürde, die TikTok nehmen musste, damit der Richter das TikTok-Verbot stoppt, hoch. Grundsätzlich muss jede Partei, die eine einstweilige Verfügung beantragt, vier Faktoren darlegen, nämlich dass sie

  • Wahrscheinlich gewinnen wird und
  • irreparabler Schädigung ausgesetzt wäre und
  • die Abwägung der Interessen zugunsten der Antragstellerin ausgeht und
  • die einstweilige Verfügung im öffentlichen Interesse ist.

Das alles muss auch noch deutlich sein. Hinzu kommt, dass US-Gerichte Präsidentenentscheidungen zu Fragen der nationalen Sicherheit gemeinhin umfangreiche Freiheiten einräumen. Der US-Präsident fürchtet ja, TikTok könne aufgrund des chinesischen Eigentümers nach chinesischem Recht gezwungen werden, Daten von US-Bürgern an die chinesische Regierung zu übergeben, was die nationale Sicherheit der USA unterminieren würde.

In der Begründung kommt das Gericht schnell auf den Punkt, warum TikTok dennoch gewonnen hat: Die Executive Order von US-Präsident Trump ist wahrscheinlich rechtswidrig. Der Erlass vom August fußt auf einem im Mai des Vorjahres ausgerufenen Notstand sowie dem Gesetz International Emergency Economic Powers Act (IEEPA).

Zwar gewährt dieses Gesetz dem Präsidenten weitreichende Vollmachten, Notstände auszurufen und bestimmte Transaktionen mit Ausländern zu verbieten. Doch kennt das Gesetz zwei ausdrückliche Einschränkungen: Der Präsident darf den Im- und Export von Information und Informationsmaterial ebenso wenig untersagen wie die persönliche Kommunikation, bei der nichts von Wert übertragen wird. Laut Gesetzgeber sind diese Einschränkungen weit auszulegen, unabhängig von Format oder Medium, und dürfen auch nicht durch indirekte Verbote umgangen werden.

Unzweifelhaft ist TikTok primär ein Dienst zur Übertragung von Information. Daher greift das Argument der Regierung, sie habe nicht die Übertragung von Informationen, sondern nur kommerzielle Transaktionen zwischen Unternehmen bezüglich bestimmter Aspekte des Betriebs TikToks in den USA untersagt, nicht. Denn das Ergebnis wäre zumindest ein indirektes Verbot der Übertragung von Informationsmaterial.

Die Regierungsanwälte behaupteten, das Ergebnis dieser Auslegung könne unmöglich Ziel des Gesetzgebers gewesen sein; der Präsident werde darin eingeschränkt, ausländische Regierungen an der Dominanz von US-Datendiensten zu hindern. "Dieses Argument hat etwas", gesteht der Richter ein, "insbesondere weil die Nutzung von Informationen und Daten durch ausländische Gegner immer wichtig wird. Aber (das Argument) findet keine Unterstützung im Gesetzestext."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Regierung hatte versucht, mit weiteren, an den Haaren herbeigezogenen Argumenten zu punkten: Das Spionagegesetz schaffe eine Ausnahme von der Einschränkung der präsidentiellen Befugnisse des IEEPA. In dem Abschnitt des Spionagegesetzes geht es aber um Staatsgeheimnisse im Verteidigungsbereich, deren Weitergabe mit lebenslanger Haft oder sogar dem Tode bestraft wird – was nicht unbedingt typisch für die Videos ist, die Teenager über TikTok teilen.

Und: Die Kommunikation der User sei von Wert, zumindest für TikTok, daher greife die Ausnahme für persönliche Kommunikation gar nicht. Diese Lesart hält der Richter wiederum für untragbar, weil damit die Ausnahme für persönliche Kommunikation völlig wegargumentiert würde. In diesem Sinne habe nämlich jede persönliche Kommunikation für irgendjemanden Wert, und sei es die Post, die mit Briefen Umsatz macht.

Der irreparable Schaden für TikTok durch einen rechtswidrigen Bann wäre offensichtlich. Die Interessen der Regierung seien identisch mit dem öffentlichen Interesse. Und da substanzielles öffentliches Interesse daran herrsche, dass Regierungseinrichtungen die Bundesgesetze befolgen, war TikToks Antrag auf einstweilige Verfügung zu genehmigen. Den verfassungsrechtlichen Argumenten TikToks in der Klage gegen Trump musste sich der Richter gar nicht erst widmen.

Die Verfügung betrifft derzeit nur das an US-App-Stores gerichtete Verbot, Downloads und Updates der App zu ermöglichen. Ein umfassenderes Verbot, das am 12. November in Kraft treten soll, hält der Richter nicht für dringlich genug, um schon jetzt einer einstweiligen Verfügung dagegen näherzutreten. Sollten der Regierung bis dahin keine besseren juristischen Argumente einfallen, wäre das Ergebnis eines neuerlichen Antrags TikToks absehbar.

Bis Mittwoch sollen TikTok und die Regierungsanwälte einen Fahrplan für das Hauptverfahren vorschlagen. Dort soll die Zulässigkeit des Präsidentenerlasses abschließend geklärt werden.

(ds)