COVID-19: Bei Trump kam ein nicht zugelassener Antikörper-Cocktail zum Einsatz

Gegen die Infektion wurden Antikörper verwendet, bei deren Entwicklung Zellen genutzt werden, die aus menschlichen Embryonalzellen abgeleitet sind.

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Donald Trump

US-Präsident Donald Trump fühlt sich laut eigenen Angaben "besser als je zuvor".

(Bild: dpa, Patrick Semansky/AP/dpa)

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Von
  • Antonio Regalado

US-Präsident Donald J. Trump hatte nur die besten Worte für die experimentellen Medikamente, die Mediziner gegen seine Coronavirus-Infektion in Stellung brachten. Die Behandlungen seien "Wunder, die von Gott gesandt wurden", sagte er. Wenn das stimmt, nutzt Gott allerdings Zelllinien, die von menschlichem Embryonalgewebe abstammen – so pointiert muss man dies sagen.

Der Notfall-Antikörper-Cocktail, den Trump in der vergangenen Woche erhalten hat, wurde unter Verwendung einer Zelllinie entwickelt, die ursprünglich von Abtreibungsgewebe abstammte. Das teilte Regeneron Pharmaceuticals mit, die Firma hinter dem Therapeutikum.

Interessanterweise sind das Methoden, die die Trump-Regierung zunehmend scharf angeht. Medizinische Forschung mit dem Gewebe abgetriebener Föten soll unterbleiben. 2019 wurde etwa die Erlaubnis der U.S. National Institutes of Health beschnitten, solche Forschung zu finanzieren. Das wurde von Abtreibungsgegnern damals als "großer Sieg für Pro Life" gewertet, die sich bei Trump persönlich bedankten. Es gehe darum, die "unerhörte und ekelhafte" Praxis der "Experimente mit Körperteilen von Babys" zu beenden.

Doch als der Präsident mit einer potenziell tödlichen COVID-19-Infektion konfrontiert wurde, gab es weder Einwände seiner Beamten, dass er ein sich auf Embryonalzellen stützendes Medikament verwendet, noch Alarm der Pro-Life-Fraktion. Höchstwahrscheinlich war diese Art der Heuchelei unwissentlich. Viele Arten von medizinischer Forschung, auch im Bereich Impfstoffe, nutzen Zellen, die ursprünglich aus Abtreibungsgewebe kommen. Man hätte schon einen Experten gebraucht, dies jetzt vor der Trump-Behandlung festzustellen.

Als Trump problematische Corona-Symptome zeigte, erhielt er ein Notfallmedikament, das aus Anti-Coronavirus-Antikörpern bestand. Diese Moleküle werden in Zellen hergestellt, die aus den Eierstöcken eines Hamsters stammen, sogenannte CHO-Zellen – also nicht in menschlichen, wie Regeneron betont.

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Doch Zellen, die ursprünglich aus Föten abgeleitet wurden, wurden dennoch verwendet. Laut Regeneron gab es Labortests, um die Potenz der verwendeten Antikörper zu überprüfen. Dabei kamen Standardzellen zum Einsatz, die als HEK 293T bezeichnet werden – ihre Herkunft ist Nierengewebe von einer Abtreibung, die in den Siebzigerjahren in den Niederlanden stattfand.

Seit dieser Zeit wurden die 293T-Zellen "unsterblich" gemacht, sie teilen sich im Labor einfach weiter, ein bisschen wie Krebszellen. Es gab aber auch noch weitere genetische Veränderungen und Ergänzungen.

Laut Regeneron nutzt die Firma genauso wie viele andere Labore die 293T-Zellen, um sogenannte Viren-Pseudopartikel zu erzeugen, Viren-artige Strukturen, die das Spike-Protein des tödlichen Coronavirus enthalten. Diese sind notwendig, um zu testen, wie gut verschiedene Antikörper das Virus neutralisieren können.

Die beiden Antikörper, die Regeneron schließlich als experimentelle Behandlung für Trump anbot – und womöglich sein Leben gerettet haben – dürften über genau solche Tests ausgewählt worden sein. Weil die 293T-Zellen vor so langer Zeit ihren Ursprung nahmen und so lange im Labor gelebt haben, werden sie heute kaum mehr als etwas begriffen, das mit Abtreibungspolitik zu tun hat.

"Es kommt darauf an, wie man das auffasst", meint Alexandra Bowie, eine Sprecherin von Regeneron. "Doch die 293T-Zelllinien, die es heute gibt, werden nicht als Fötengewebe begriffen und wir haben auch nicht auf andere Arten Fötengewebe verwendet."

Die Trump-Regierung versucht derzeit, Forschung, bei dem Gewebe aus kürzlich durchgeführten Abtreibungen benötigt wird, zu stoppen oder zu beschränken. Im August wurde dazu beispielsweise eine neue Kommission beim Gesundheitsministerium geschaffen, in der viele Abtreibungsgegner sitzen. 13 von 14 Forschungsvorschlägen wurden abgelehnt.

Dabei ging es jeweils um eine Versorgung mit frischem Abtreibungsgewebe, nicht um Forschung mit älteren, bekannten Zelllinien, die seit vielen Jahren verwendet werden, wie jene, die Regeneron einsetzte. Doch einer der Gründe, warum Forscher Abtreibungsgewebe untersuchen wollen, ist, dass sie so neue und wertvolle Zelllinien kreieren könnten.

(bsc)