Klimaverantwortung per Gesetz

Dänemark ist das erste europäische Land, das seine Regierungen per Gesetz für das Verfehlen von Klimazielen zur Verantwortung ziehen kann.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Klimaverantwortung per Gesetz

Dänische Studierende demonstrieren in Aarhus gegen den Klimawandel.

(Bild: Henning Bagger/EPA/Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Dänemark ist das erste europäische und wahrscheinlich auch das erste Land weltweit, das seine Regierungen per Gesetz für das Verfehlen von Klimazielen zur Verantwortung ziehen kann. Mit dem Mitte Juni beschlossenen Klimagesetz löst die sozialdemokratische Regierung von Mette Frederiksen eines seiner zentralen Wahlversprechen ein, „eine substanzielle Gesetzgebung zum Klimaschutz zu verabschieden“, sagt Michael Strangholt vom Nationalen Zentrum für Umwelt und Energie der Universität Aarhus. Das Hauptziel des Gesetzes ist sicherzustellen, dass das skandinavische Land bis 2030 seine Emissionen um 70 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senkt.

„Praktisch alle Parteien hatten sich die Klima-Agenda zu eigen gemacht, weil sie viele Wählerstimmen darin gesehen haben. Sie haben es die Klimawahl genannt“, sagt Strangholt. Das half nach der Wahl. Zwar lösen sich in der Regel viele Wahlversprechen in Luft auf – in diesem Fall aber zogen fast alle Parteien an einem Strang und schmiedeten gemeinsam das Gesetz. Dabei bauten sie auch Absicherungen gegen verschiedene Szenarien ein, unter denen das Gesetz später ausgehebelt werden könnte. 171 von 179 Parlamentariern stimmten dafür und nur acht Vertreter von zwei kleineren Parteien dagegen.

Das Klimagesetz legt die Rahmenbedingungen für nachfolgende, spezifische Umweltgesetze fest, mit denen das Klimaziel erreicht werden soll. Wird etwa ein Gesetz für Luftsauberkeit in den Städten geplant, muss die Finanzierung spätestens im folgenden Frühling stehen, damit das Gesetz nach der Sommerpause beschlossen werden kann. Dann geht die Finanzierung automatisch ins Budget ein.

Der jeweilige Minister für Klima und Energie muss dem Parlament jedes Jahr Rede und Antwort stehen: Welche Maßnahmen und Gelder wurden für das Erreichen des 2030-Klimaziels beschlossen, und welche prozentuale Emissionsminderung sollen sie bewirken? Dabei will Dänemark keinen Emissionshandel nutzen, außer wenn kurz vor 2030 nur noch wenig zum Erreichen des 70-Prozent-Ziels fehlt.

Sieht eine einfache Parlamentsmehrheit zu wenig Erfolg, folgen Konsequenzen: Entweder der Minister erhält ein Jahr Aufschub, um nachzubessern. Oder er kann zum Rücktritt aufgefordert werden. Zwei Sektoren klammert Dänemark allerdings aus: die internationale Luft- und Schifffahrt inklusive Frachttransport. „Denn wem teilt man die Emissionen dann wie zu? Den Heimatländern der Luftlinien, oder wo ihr Hauptquartier ist? Dem Herkunftsland des Treibstoffs, oder wo er verbrannt wurde?“, fragt Strangholt.

Die Parteien im Parlament, die dem Rahmengesetz zugestimmt haben, müssen jedoch nicht automatisch jedes neue Umweltgesetz absegnen. Allerdings haben sie nur Verhandlungsspielraum in eine Richtung: Können sie etwa belegen, dass ein Gesetzesentwurf gar nicht oder nicht genug zum Klimaziel beitragen würde, können sie es ablehnen oder sich enthalten.

Aus dem Rahmenabkommen selbst auszusteigen ist für Parteien ebenfalls nicht so einfach. Selbst wenn später das Personal wechselt, sich die Ausrichtung der Partei ändert und mit einem Umweltgesetz der Vorgänger nicht mehr übereinstimmt, „ist die Partei selbst immer noch an das Abkommen gebunden und muss die Finanzmittel bewilligen“, erklärt Strangholt.

Parteien könnten zwar theoretisch aus dem Deal aussteigen, riskierten aber damit ihre Glaubwürdigkeit für spätere Rahmenabkommen. Dänemark habe fast immer Minderheitsregierungen, die von solchen Deals abhängig sind. Und das Gesetz ist gut vor parteilichem Sinneswandel geschützt, sagt Strangholt: „Wenn die Parteien das Klimagesetz selbst ändern wollen, brauchen sie eine Parlamentsmehrheit – das ist nicht sehr wahrscheinlich.“

(bsc)