Regierungsstreit über Vertragslaufzeiten verzögert TKG-Novelle

Eigentlich sollte die Reform des Telekommunikationsgesetzes bis Ende des Jahres durch sein, doch können sich die Ministerien in einem Punkt nicht einigen.

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Neue Verträge für Mobilfunk oder Internetanschlüsse sollen nach dem Wunsch des Justizministeriums maximal ein Jahr laufen dürfen.

(Bild: ARMMY PICCA/Shutterstock.com)

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In der Bundesregierung gibt es weiter Streit über die notwendige Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Mit der Gesetzesnovelle soll unter anderem der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation in Landesrecht umgesetzt werden. Die Frist dafür läuft zum Jahresende ab, doch Deutschland wird das Klassenziel wohl nicht erreichen. Denn seit Anfang August hängt der von den Bundesministerien für Wirtschaft und Infrastruktur ausgearbeitete Referentenentwurf im Kabinett fest: Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) stellt sich quer.

Während einige andere Streitpunkte zwischen den Ministerien offenbar ausgeräumt werden konnten, hängt es jetzt am Verbraucherschutz. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) besteht darauf, die Laufzeit für Telekommunikationsverträge auf ein Jahr zu beschränken. Laut dem bisher bekannten Entwurf will das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Anbieter zwar verpflichten, auch Einjahresverträge anzubieten, aber die Tür für die bisher üblichen zwei Jahre offen halten.

Die Kalkulation dabei: Kunden dürfen bei längerer Vertragsbindung mit günstigeren Konditionen rechnen. In der Praxis gibt es schon monatlich kündbare Verträge, die etwas mehr kosten als ein Zweijahresvertrag. Laut EU-Kodex für die elektronische Kommunikation ist eine zweijährige Mindestlaufzeit ausdrücklich möglich. Doch offenbar sperrt sich das BMJV gegen eine flexible Regelung, die auch längere Laufzeiten vorsieht, was für Verstimmung nicht nur im BMWI sorgt, sondern auch in der Branche.

Das BMWi hält an der offenen Regelung des Entwurfs fest. "Wir wollen nicht bevormunden, sondern eine Wahlfreiheit ermöglichen", sagte Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) am Dienstag im Rahmen einer Veranstaltung des VATM. "Wir trauen dem Verbraucher zu, das zu entscheiden." Auch Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen spricht sich gegen die "Bevormundung durch einen paternalistischen Staat" aus: "Als ob auf dem Mobilfunkmarkt nur Deppen unterwegs sind."

"Die Vertragslaufzeit ist eminent wichtig für die Branche", betonte VATM-Präsident Martin Witt. Die betroffenen Unternehmen warnen, das eine Verkürzung der Vetrtragslaufzeit ihrer Planungssicherheit und damit auch den notwendigen Breitbandausbau beeinträchtigt. "Eine Verkürzung würde den politisch gewollten und für die Unternehmen investitionsintensiven, möglichst flächendeckenden Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze konterkarieren", sagt Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko).

Eigentlich wollten Altmaier und Lambrecht ihre Differenzen bei einem Spitzengespräch in der vergangenen Woche ausräumen. Ob das gelungen ist, bleibt offen: Die Ministerien wollen dazu offiziell nichts sagen. "Die Ressortabstimmung dauert aktuell an und schreitet voran", erklärt eine Sprecherin des BMWi auf Anfrage von heise online. Danach soll der Entwurf mit den Landesregierungen und Branchenvertretern abgestimmt werden. "Einen Zeitplan hierfür können wir nicht mitteilen."

Eigentlich sollte der EU-Kodex bis Jahresende in deutsches Recht umgesetzt sein. Das wird nicht klappen, da sind sich die Beteiligten sicher. Branchenvertreter gehen jetzt vom ersten Halbjahr 2021 aus. Auf jeden Fall sollte die Kuh vor den Bundestagswahlen im nächsten Jahr vom Eis geholt werden, sonst geht das Verfahren von vorne los. Die Unternehmen fürchten, dass bei der gebotenen Eile ihre Interessen unter die Räder kommen. "Durch die Verzögerungen sehen wir auch die Gefahr, dass die Beteiligungsmöglichkeiten der Branche eingeschränkt werden", sagt Knapp. "Aufgrund der Bedeutung des Gesetzes für den weiteren Glasfaserausbau braucht die Branche eine angemessene Zeit um Stellung nehmen zu können."

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Ein weiterer Streitpunkt ist zwar nicht ausgeräumt, aber stellt offenbar kein Hindernis für den nächsten Schritt mehr dar. Das sogenannte Nebenkostenprivileg für Kabelanschlüsse soll mittelfristig wegfallen. Damit könnten Vermieter einen Kabel- oder vergleichbaren Anschluss nicht mehr mit den Nebenkosten abrechnen. Kabelnetzbetreiber und Wohnungswirtschaft laufen dagegen Sturm. Bisher hat sich auch das Bundesinnenministerium (BMI) gegen den Vorschlag gestellt. Laut Informationen aus Branchenkreisen will das BMI aber das weitere Verfahren nicht blockieren und ist bereit, die Frage des Nebenkostenprivilegs in der nächsten Runde zu klären.

(vbr)