Technology Radar: Low-Code und No-Code als Demokratisierung der Programmierung

Der halbjährlich veröffentlichte Report zeigt Vorteile und Tücken auf, wenn Nichtprogrammierer Business-Apps entwickeln. Weitere Trends sind GraphQL und IoC.

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Von
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

Die Softwareberatungsfirma ThoughtWorks hat die 23. Ausgabe ihres Technology Radar veröffentlicht. Das IT-Beratungsunternehmen sammelt eigene Projekterfahrung und erstellt daraus einen Bericht, in dem es Trends der Softwareentwicklung und weiterer IT-Techniken bewertet und Empfehlungen ausspricht. Die Autoren des aktuellen Reports sehen derzeit eine "Demokratisierung der Programmierung". Sie machen das an der Vielzahl neuer Low-Code- und No-Code-Tools fest, die Nichtprogrammierer in die Lage versetzen sollen, Aufgaben zu erledigen, für die bisher Programmierkenntnisse erforderlich sind.

Ansätze der Low-Code- oder No-Code-Programmierung sind bereits Jahrzehnte alt und streben zu einer vereinfachten Oberflächenentwicklung (à la RAD) beziehungsweise einer ganzheitlichen Softwarearchitektur (à la MDA). Einen großen Vorteil können diese "neuen" Plattformen jedoch dank der heutigen Möglichkeiten der Application Platform as a Service (aPaaS) bieten. Der Aufbau einer kompletten Entwicklungsumgebung ist somit deutlich vereinfacht. Allerdings ist eine detaillierte Kosten-Nutzen-Betrachtung nötig, sofern der Einsatz einer fast immer proprietären Low-Code-Plattform erwogen wird. Dabei sind auch "weiche" Faktoren in Betracht zu ziehen. So stoßen Low-/No-Code-Plattformen häufig auf Ablehnung, was gegebenenfalls auch in den Entwicklerteams für Unruhe sorgen kann.

Rebecca Parsons, Chief Technology Officer bei ThoughtWorks, sieht für diesen Trend "das Potenzial, die Produktivität in Unternehmen zu erhöhen. Einige der aufkommenden Low-Code- und No-Code-Tools ermöglichen es, die IT-Abteilungen zu entlasten. Diese Tools sind jedoch auch mit Risiken verbunden." Nützlich seien die Tools, wenn es um sehr spezifische Probleme in begrenzten Bereichen gehe. In der Regel sei es jedoch "unmöglich, gute Entwicklungspraktiken – wie Versionierung oder Testen – anzuwenden, was Voraussetzung für den Einsatz in größerem Umfang im Unternehmen wären. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin zu erkennen, wann Projekte zu groß oder zu komplex werden, um für Low-Code geeignet zu sein", so Parsons.

In der Regel griffen Unternehmen auf Low-Code zurück, weil die Kompetenzen zur Entwicklung nicht ausreichten, um ihre Geschäftsziele zu erreichen. Aber zu erkennen, wenn ein Projekt die Möglichkeiten von Low -Code überschritten habe, sei offenbar genau die Art von Problem, für die Entwicklungskompetenz benötigt werde.

Namentlich genannt wird im Technology Radar Amazon Honeycode, das verstärkt zum Einsatz komme, um Web- und Mobile-Anwendungen zu entwickeln, ohne Code zu schreiben. Diensteanbieter wie IFTTT und Zapier ermöglichten es einer technisch weniger versierten Zielgruppe, eine Vielzahl von Geräten und SaaS-Plattformen (Software as a Service) zu vernetzen, um nützliche Funktionen zu realisieren.

Bei den jeweiligen Ausgaben des Reports werden aber immer mehrere Trends unter die Lupe genommen. Neben Low- und No-Code sind das dieses Mal die Weiterentwicklung von Infrastruktur als Code, der Boom um GraphQL, Ansätze zur Entwicklung schneller und leistungsfähiger Browser-Anwendungen sowie innovative Visualisierungswerkzeuge.

Die Autoren des Technology Radar verzeichnen enorme Fortschritte bei den Werkzeugen, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Infrastruktur als Code zu verwalten. Unternehmen würden Vorteile der Infrastrukturautomatisierung wie die Beschleunigung von Innovation erkennen. Aber die ThoughtWorks-Experten beobachten auch, dass dabei nicht alle Innovationen in die richtige Richtung gingen.

GraphQL löse einige häufig auftretende Probleme, die sich in verteilten Architekturen wie Microservices manifestieren. ThoughtWorks empfiehlt Teams, GraphQL und zugehörige Tools zu verwenden, aber auch Vorsicht walten zu lassen, wenn sie Technologie mit eng umrissenem Anwendungsfeld einsetzen, um allzu viele Probleme anzugehen.

Die Studienautoren sehen zudem immer wieder aufs Neue etablierte Ansätze für Browser-Tests, State Management und zur Entwicklung schneller und leistungsfähiger Browser-Anwendungen. Schließlich trage eine grafische Darstellung beziehungsweise Visualisierung durch Tools oft wesentlich dazu bei, die unvermeidliche kognitive Überlastung in Bereichen wie Infrastruktur, Data Science und Cloud zu bekämpfen.

Insgesamt beleuchtet der Radar 99 Projekte aus den vier Themengebieten Technik, Werkzeuge, Plattformen sowie Sprachen und Frameworks. Ein Kreis mit vier Ringen gibt als Analogie des Radars die jeweilige Art der Empfehlung an: Je weiter innen ein Thema angesiedelt ist, desto aufgeschlossener sollten Unternehmen ihm gegenüber nach Meinung von ThoughtWorks sein.

Der 23. Technology Radar gibt Empfehlungen zu insgesamt 99 Projekten.

(Bild: ThoughtWorks)

Dabei bedeutet "Adopt" die Empfehlung zur Anwendung. Themen im Bereich "Trial" verdienen zwar ernsthafte Tests, ihnen fehlt aber noch die nötige Reife. Was im "Assess"-Bereich liegt, ist der näheren Betrachtung würdig, sollte aber nur dann ausprobiert werden, wenn es perfekt zu passen scheint. "Hold" bezeichnet Themen, über die zwar geredet wird, von deren Einsatz ThoughtWorks aber abrät – sei es wegen fehlender Reife oder sogar aufgrund fehlerhafter Eigenschaften.

Der vollständige 23. Technology Radar steht auf der ThoughtWorks-Site zum Herunterladen als PDF bereit.

(ane)