Online-Dating zwischen Kennenlernen und Abzocke

Die Partnersuche im Web ist verbreitet und unter Corona-Aspekten sicher. Seriöse Anbieter setzen auf psychologisch ermitteltes Matching statt auf Flirt-Bots.

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Nie war es so schwierig, die neue Liebe zu finden: Wegen Corona sind viele Feiern verboten, Clubs geschlossen, im Fitness-Studio kommt man sich auch nicht näher, die Menschen gehen auf Abstand. Andererseits war es auch nie so einfach, die neue Liebe zu finden: Online-Dating-Dienste haben in den vergangenen Jahren breite Teilnehmerschichten erobert. 4,7 Millionen Nutzer in Deutschland sind derzeit in Singlebörsen angemeldet, weitere 2 Millionen nutzen Flirt-Chats in Erotikportalen und 1,2 Millionen suchen eine neue Liebe mithilfe von Online-Partnervermittlungen, wie das Portal Statista im August veröffentlichte.

Die Spielarten des Online-Datings sind nicht fruchtlos: Fast jeder zweite Nutzer (47 Prozent) hat über diese Dienste bereits einen festen Partner oder einen erotischen Kontakt kennengelernt, wie der Digitalverband Bitkom ermittelte.

Aber: Verbraucherzentralen warnen vor unlauteren Geschäftspraktiken, insbesondere bei Erotikportalen, in denen Flirt-Chats und erotische Fantasien im Vordergrund stehen, sowie in Singlebörsen, in denen die Teilnehmer Profile anlegen und Kontakte nicht nur nach erotischen Interessen suchen. 187 Portale setzten ganz offensichtlich Fake-Accounts ein, gesteuert von Mitarbeitern, wie die Verbraucherzentrale Bayern bereits 2017 warnte. Die Liste der schwarzen Schafe ist noch heute weitgehend aktuell.

Die Fake-Profile sollen die Nutzer der Dating-Dienste zu kostenpflichtigen Aktionen anregen. Sie sind deshalb rechtlich haltbar, weil die Dienste sie in ihren AGB explizit erwähnen, wenn auch mit verhüllenden Begriffen umschrieben. Dort ist von "moderierten Diensten" oder dem "Einsatz von Moderatoren" die Rede, wo man eigentlich von Animateuren sprechen müsste. Betreiber räumen sich das Recht ein, "im Namen anderer Kunden Nachrichten an Nutzer zu verschicken" oder selbst Profile zu erstellen und "durch sogenannte CUser" oder "Controller" betreiben zu lassen.

Die Marktwächter fanden in den AGB Eingeständnisse, dass ein männlicher Moderator auch ein weibliches Profil bespielen könne oder sogar, dass davon auszugehen sei, "dass es sich bei sämtlichen weiblichen Profilen um fiktive Profile" handele.

Bei derartigen Geschäftsmodellen verwundert es kaum, dass in Einzelfällen sogar der Einsatz von Flirt-Bots durchgesickert ist. Nach einem Datenleck konnte eine Journalistin dem Seitensprungvermittler Ashley Madison bereits 2015 nachweisen, wie Bots vermeintlich interessierte Frauen darstellten, zigtausendfach Männer becircten und zu teureren Mitgliedschaften drängten. 2016 musste das Unternehmen diese Masche offiziell eingestehen. Es würde zu den AGB-Klauseln vieler weiterer Erotikportale passen, ebenfalls Flirt-Bots einzusetzen.

Den höchsten Umsatz im Online-Dating verzeichnet heute allerdings nur eine Handvoll Anbieter von Online-Partnervermittlungen. 73,3 Millionen Euro soll diese Sparte 2020 umsetzen, wie Statista ermittelte. Auf diesen Plattformen unterziehen sich die Teilnehmer im Registrierungsprozess zunächst einem Persönlichkeitstest, bevor sie sich ein Profil gestalten können. Für die Partnersuche sind die Nutzer auf Vorschläge durch die Plattform angewiesen.

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Im Gegensatz zu Singlebörsen und Erotikportalen bieten Partnervermittlungen ausnahmslos Abomodelle an. Nennenswerte Klagen über Fake-Accounts auf diesen Plattformen haben Verbraucherschützer bisher nicht verzeichnet. Probleme treten bei den Anbietern Parship, LemonSwan, ElitePartner und eDarling an anderer Stelle auf. Zum einen verlangen die Plattformen den Abschluss eines Abos erst, nachdem die Interessenten ihren Persönlichkeitstest abgeschlossen und ihr Profil erstellt haben. So entstehen Gratis-Accounts, die anderen Nutzern einen großen Pool an Partnersuchenden vorgaukeln.

Ein weiteres Problem liegt in der Marktmacht der wenigen verbliebenen Anbieter dieser Sparte. Drei von vier Plattformen bieten heute keine Dreimonatsabos mehr, der Partnersuchende muss sich schon für mindestens sechs Monate binden. Zudem steigen die Preise: Im Zeitraum von August bis Oktober haben etwa Parship und ElitePartner ihre Abo-Listenpreise kräftig um monatlich 6 bis 10 Euro erhöht.

Angesichts ihres Geschäftsmodells haben die Online-Partnervermittler anscheinend ein Problem mit dem Widerrufsrecht. Damit der Nutzer unmittelbar nach Vertragsabschluss Partnervorschläge kontaktieren kann, muss er zunächst zusagen, im Falle eines Widerrufs Wertersatz für erbrachte Leistungen zu zahlen. Dass der im Ernstfall berechnete Wertersatz überraschende Ausmaße erreichen kann, hat schon einige Gerichte beschäftigt und vor wenigen Wochen zu einem wegweisenden Urteil des EuGH geführt, der eine solche Forderung von Parship über 392,96 Euro auf knapp 6 Euro zusammenstrich.

Trotz aller Probleme haben die Online-Partnervermittlungen ihre Freunde inzwischen in verschiedensten Altersgruppen gefunden, die Jahrgänge zwischen 30 und 59 sind nach Betreiberangaben recht gleichmäßig vertreten. Die Teilnehmer können in einem geschützten Bereich flirten, bevor sie ein Treffen im Real Life ausmachen – gerade in Zeiten von Corona eine gute Option.

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c't 24/2020

Dieser Artikel stammt aus c’t 24/2020. Darin liefert die c't-Redaktion eine ausführliche PC-Kaufberatung und Bauvorschlägen für den optimalen PC. Sie hat Partnerbörsen getestet und deckt die Tricks von Parship & Co. ebenso auf wie die Sicherheitslücke im online-Rettungssystem IVENA. c't 24/2020 ist ab sofort im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich.

(agr)