TKG-Novelle: Recht auf schnelles Internet wird geschmälert

Die Mindestbandbreite des Online-Universaldienstes soll nicht dem Durchschnittswert von 51 Prozent der Verbraucher entsprechen, sondern von über 80 Prozent.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Das von der großen Koalition versprochene Recht auf schnelles Internet wird schwächer ausfallen als zunächst geplant. Dies ergibt sich aus dem neuen Referentenentwurf der Bundesministerien für Wirtschaft sowie für Verkehr und digitale Infrastruktur für die seit Monaten geplante große Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG), der heise online vorliegt.

Prinzipiell muss der eiligen Initiative zufolge die Bundesnetzagentur feststellen, welche Anforderungen ein allen Bürgern zur Verfügung stehender Internetzugangsdienst erfüllen muss. Dabei sollte sie laut dem ersten Aufschlag der beiden Häuser aus dem Frühjahr "insbesondere die von der Mehrheit der Verbraucher im Hoheitsgebiet genutzte Mindestbandbreite" berücksichtigen. Einfließen werden zudem "weitere nationale Gegebenheiten" wie die Auswirkungen der festgelegten Qualität auf "Anreize zum privatwirtschaftlichen Breitbandausbau" und Fördermaßnahmen.

Laut der neuen Version muss die Regulierungsbehörde die "von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzte Mindestbandbreite" als hauptsächliche Ausgangsbasis für die Berechnung der Geschwindigkeit des erweiterten Universaldienstes heranziehen, nicht mehr die von über 51 Prozent der Haushalte.

Dies dürfte sich deutlich auf die Durchschnittsbandbreite auswirken. Zwar hat laut dem Breitbandatlas der Bundesnetzagentur insgesamt "die Verbreitung von Breitbandanschlüssen mit hohen vermarkteten Übertragungsraten" in den vergangenen Jahren "deutlich zugenommen". Die Verbraucher fragen demnach zunehmend Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 30 beziehungsweise 100 MBit/s nach.

Trotzdem gab es 2019 noch rund 12,5 Millionen Haushalte mit Bandbreiten unter 10 bis unter 30 MBit/s. Die Zahl der Privatanschlüsse mit über 100 MBit/s bis unter 1 GBit/s lag dagegen nur bei 9 Millionen. Der größte Anteil lag mit 13,4 Millionen Haushalten zwischen 30 bis unter 100 MBit/s in der Mitte.

Würde die Bundesnetzagentur die durchschnittliche Mindestbandbreite von 51 Prozent der Heimanschlüsse heranziehen, läge diese höher als bei über 80 Prozent der Verbraucher. Bei der zweiten Berechnungsvariante werden mehr Haushalte mit einer geringen Bandbreite mit einbezogen, denen ein schneller Zugang gar nicht zur Verfügung steht oder die sich einen solchen nicht leisten können.

Bei der geplanten neuen Variante wären "mehr Leute dabei, die weniger Bandbreite haben", bestätigt der Duisburger Telekommunikationswirtschaftler Torsten Gerpott gegenüber heise online. Dies lasse sich konkret etwa an den Zahlen aus der aktuellen Marktanalyse des Branchenverbands VATM festmachen. Demnach sind bis Ende des Jahres geschätzt 47 Prozent der hiesigen Kunden mit einer Bandbreite von oberhalb von 50 MBit/s unterwegs. Ziehe man die geplanten 80 Prozent der Kunden heran, läge die Mindestgeschwindigkeit momentan bei 16 MBit/s.

Laut einer anderen Statistik aus Mitte 2019 betrug die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit in Deutschland beim Download knapp 23 MBit/s, beim Upload rund 9 MBit/s. Ihr ursprüngliches Ziel, allen Haushalten bis Ende 2018 Anschlüsse mit mindestens 50 MBit/s zumindest prinzipiell verfügbar zu machen, verfehlte die Bundesregierung.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte Anfang des Jahres bereits gefordert, dass "die gesetzlich definierte Mindestbandbreite, die bundesweit zur Verfügung gestellt werden muss, dynamisch steigen" sollte. Sie müsse "fortlaufend der Geschwindigkeit angepasst werden, die von der Mehrzahl der Haushalte (mindestens 50 Prozent) genutzt wird". Steige die von der Mehrheit der Privatanwender genutzte Bandbreite, so erhöhe sich damit "auch die Anforderung an die Universaldienstleistung".

Die Mehrheitsschwelle fußt laut der Begründung des Gesetzentwurfs auf einem Kriterienkatalog des Kommunikationsausschusses (COCOM). Dieser habe darauf hingewiesen, dass der Terminus der "Mehrheit der Endkunden" nicht als 51 Prozent definiert werden sollte, "um weitreichende Marktverzerrungen zu vermeiden". Stattdessen habe sich das Gremium für die nun eingebaute 80-Prozent-Schwelle ausgesprochen, "um Effekte auf den Wettbewerb zu minimieren".

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Unterste Grenze für die Anforderungen an einen Internetzugangsdienst bleiben den Ministerien zufolge die EU-Vorgaben im neuen Kodex für elektronische Kommunikation. So müssten neben E-Mail, Anrufen und Videocalls in Standardqualität auch die Nutzung sozialer Medien, Informationssuchen, Online-Bestellungen, Online Banking und elektronische Behördendienste möglich sein.

2016 sei die EU-Kommission davon ausgegangen, dass so 2020 ein Internetzugangsdienst mit mindestens 9,6 MBit/s verfügbar sein müsse, heißt es. Der Bundesnetzagentur stehe es aber frei, weitere Qualitätsanforderungen aufzustellen. Denkbar seien etwa auch eine Mindest-Upload-Rate oder ein Mindestdatenvolumen. Allerdings sei "nicht jede wirtschaftliche Teilhabe über einen erschwinglichen Internetzugangsdienst zu gewährleisten". Die sicherzustellende Bandbreite müsse die Regulierungsbehörde ferner regelmäßig anpassen.

Providerverbänden ist das vorgesehene Recht auf schnelles Internet seit Langem ein Dorn im Auge. Der Branchenexperte Gerpott hält es für ein reines Placebo: Bis der Regulierer ein entsprechendes Verfahren eingeleitet und einen Anbieter gefunden und verpflichtet habe, "wird viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen sein". Für die Praxis würde der Ansatz kaum relevant. Wichtiger wäre es, die Fördermaßnahmen für den Breitbandausbau effektiver einzusetzen.

(olb)