Medienstaatsvertrag und Streamer: Rundfunklizenz ab 20.000 Zuschauern nötig

Der Medienstaatsvertrag enthält neue Regelungen für Livestreamer. Ob sie in Zukunft eine Rundfunklizenz brauchen, hängt primär von ihrer Zuschauerzahl ab.

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(Bild: JJFarq/Shutterstock.com)

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Streamer mit Rundfunklizenz: Zu Zeiten des Rundfunkstaatsvertrags brauchten bekannte Internet-Persönlichkeiten wie "Gronkh", "Drachenlord" und das Team von "PietSmiet" nach Ansicht der zuständigen Landesmedienstaaten eine Rundfunklizenz, um ihre Livestreams veranstalten zu dürfen. Das sorgte für Ärger und Verwirrung. Der neue Medienstaatsvertrag, der den Rundfunkstaatsvertrag am 7. November abgelöst hat, soll Klarheit schaffen – enthält aber noch immer dehnbare Formulierungen.

Der neue Medienstaatsvertrag soll die Medienordnung modernisieren, indem er die Grenzen zwischen den verschiedenen Medienformen aufweicht. Entsprechend gelten für Livestreamer auf Twitch oder Youtube nun die gleichen Regeln wie etwa für das Fernsehen, die sozialen Medien oder für Nachrichtenformate. In der Praxis bedeutet das: Die meisten Streamer brauchen wohl keine Rundfunklizenz – solange sie durchschnittlich weniger als 20.000 Zuschauer erreichen.

Nicht lizenzpflichtig sind laut Medienstaatsvertrag nämlich Rundfunkprogramme, die "im Durchschnitt von sechs Monaten weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen oder in ihrer prognostizierten Entwicklung erreichen werden". Die für diese Berechnung notwendigen Daten sollen Plattformen wie Youtube und Twitch erheben, bestätigte die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) heise online.

Berechnet werden soll demnach der Durchschnitt der Aufrufe pro Minute über die gesamte Dauer eines Livestreams. Diese Zahl werde wiederum über einen Zeitraum von sechs Monaten ermittelt. Hier haben Livestreamer offenbar einen gewissen Spielraum: So wäre es zum Beispiel denkbar, einen Stream durch die Nacht laufen zu lassen, um die durchschnittliche Zuschauerzahl zu drücken.

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Von der Lizenzpflicht befreit sind außerdem Programme, "die nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten". Das schließt laut DLM Videospielstreams aber nicht grundsätzlich aus: "Dies ist immer eine Entscheidung des Einzelfalls. Bei der Beurteilung der Bedeutung eines Rundfunkprogramms für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung können unterschiedliche Kriterien berücksichtigt werden. Dies sind beispielsweise der Grad der journalistisch-redaktionellen Gestaltung, der visuellen und/oder akustischen Gestaltung, der vom Veranstalter eröffneten Möglichkeiten einer Interaktion mit und zwischen den Nutzern oder auch die Häufigkeit und die Dauer der Ausstrahlung."

In einem früheren Entwurf des Medienstaatsvertrags hatte die Rundfunkkommission der Länder in Erwägung gezogen, Videospielstreams standardmäßig zu befreien. Der Entwurf, den die Rundfunkkommission der Länder 2018 zur Diskussion ins Netz gestellt hatte, enthielt einen Abschnitt namens "Bagatellrundfunk". Wer in diese Kategorie fällt, sollte von der Lizenzpflicht befreit sein – dazu sollten ganz explizit Rundfunkprogramme im Internet gehören, die "vorwiegend dem Vorführen und Kommentieren des Spielens eines virtuellen Spiels dienen." Eine derart maßgeschneiderte Formulierung findet sich im Medienstaatsvertrag nun nicht mehr. Wie die Bedeutung für die Meinungsbildung von Videospielstreams in der Praxis eingeordnet wird, bleibt also abzuwarten.

Die Grenze von 20.000 durchschnittlichen Zuschauern wurde dagegen aus dem Entwurf des Medienstaatsvertrags in die finale Fassung übernommen. Die meisten deutschen Livestreamer haben weniger Zuschauer. Zwar geben Youtube und Twitch keine offiziellen Zahlen heraus, die Webseite TwitchTracker versucht sich aber an Schätzungen. Unter den meistabonnierten deutschen Twitch-Kanälen schaffen es laut TwitchTracker nur "MontanaBlack", "Knossi" und – je nach gewählten Zeitraum – "Trymacs" auf über 20.000 durchschnittliche Zuschauer. Ob diese Kanäle nun wirklich eine Rundfunklizenz benötigen, ist aber nicht abschließend geklärt: Erstens müssen die TwitchTracker-Zahlen nicht zwingend den offiziellen Daten von Youtube und Twitch entsprechen. Außerdem ist möglich, dass die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) den genannten Kanälen keine Bedeutung für die Meinungsbildung zumisst und sie somit von der Lizenzpflicht befreit.

Der Let's-Player "Gronkh", der zu Zeiten des Rundfunkstaatsvertrags bereits eine Rundfunklizenz bekam, bräuchte nach aktueller Auslegung des Medienstaatsvertrags wohl keine Lizenz mehr: Er bleibt auf seinem Hauptkanal laut TwitchTracker knapp unter 20.000 Zuschauern. Auch das Team von "PietSmiet" überschreitet die gesetzte Grenze von 20.000 Zuschauern derzeit nicht.

Eine Sprecherin der Landesmedienanstalten wies in einer Mail an heise online aber darauf hin, dass auch lizenzfrei sendende Kanäle Auflagen unterliegen: "Zulassungsfreier Rundfunk ist kein Rundfunk zweiter Klasse. Er unterliegt – auch ohne das aufwändigere Zulassungsverfahren durchlaufen zu haben – grundsätzlich den identischen materiellen Anforderungen beispielsweise zu Kennzeichnung von Werbung."

(dahe)