Internet-Standards: Huawei bewirbt sich um den IETF-Vorsitz

Wenn Netzwerkprotokolle das Gesetz des Netzes sind, kann man verstehen, dass manche Firmen gerne den Vorsitzenden der Normungsorganisation stellen möchten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen

(Bild: IETF)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die Internet Engineering Task Force (IETF) sucht einen neuen Vorsitzenden, der die Arbeit der Normungsorganisation ab 2021 lenkt. Überraschend bewerben sich nun auch zwei Vertreter des chinesischen Forschungsunternehmens Futurewei um den Platz – Futurewei ist eine Tochter des Netzwerkzulieferers Huawei.

Das ist schon deshalb pikant, weil Huawei bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) parallel für eine gänzlich neue Internet-Architektur wirbt, was der IETF gar nicht gefällt. Aber die Bewerbung der Futurewei-Mitarbeiter zieht hauptsächlich wegen des Bannstrahls der Regierung der USA gegen den Mutterkonzern Huawei Aufmerksamkeit auf sich.

Bei den Futurewei-Mitarbeitern handelt es sich um Alvaro Retana und Barry Leiba. Retana, früher Cisco-Ingenieur, ist heute Vice President Strategy für den Bereich Future Networks und so mitverantwortlich für die Arbeiten an "New IP", einer Sammlung von Entwürfen zur Ablösung des Internetstandards TCP/IP. Leiba gehörte viele Jahre IBM an und arbeitet für Huawei seit 2009.

New IP wird laut Huawei und Futurewei gebraucht, weil TCP/IP nicht leistungsfähig genug sei für anspruchsvolle neue Anwendungen. Am Rande der aktuellen IETF 109 dient Huawei New IP den IETF-Entwicklern bereits zum vierten Mal an. Bislang hatten IETF-Teilnehmer dem Konzept, das nun Future Vertical Communications Networks (FCVN) heißt, die kalte Schulter gezeigt.

Als langjähriger IETF-Teilnehmer und als Autor zahlreicher RFC-Spezifikationen im E-Mail-Bereich ist der US-Amerikaner Leiba gut vernetzt in der IETF. Ob ihm das Nominierungskomittee die New-IP-Pläne seines Sponsors verzeiht, wird spannend zu beobachten sein.

Von politischem Fahrwasser könnte sich das Nominierungskomitee fernhalten, indem es sich für einen der anderen Bewerber entscheidet. Auf der Kandidatenliste stehen unter anderem zwei IETF-Urgesteine: Der Brite Adrian Farrel, Autor vieler MPLS-relevanter Spezifikationen und Fred Baker, noch ein ehemaliger Cisco-Ingenieur. Baker hatte von 1996 bis 2002 sogar schon einmal den Vorsitz der IETF inne.

Vielleicht gibt es aber auch den ersten deutschstämmigen IETF-Chef. Denn unter den etwas jüngeren Kandidaten steht neben Rich Salz von Akamai und der AT&T-Routingexpertin Deborah Brungard auch Lars Eggert. Eggert, Networking Experte bei NetApp, kann für sich reklamieren, dass er mehrere Jahre die Forschungsschwester der IETF, die Internet Research Task Force geleitet hat. Außerdem arbeitet der Wahlfinne an der TCP-Alternative Quic mit. Die Entscheidung für den nächsten Vorsitzenden fällt Anfang 2021.

(dz)