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Was war. Was wird. Von Dingen in Wüsten, anderen Tatorten und seltsamen Kriegen

Auch Datenreisende brauchen so ihre Planken, um nicht zu versinken. Und dazu gehört nicht nur eine sichere Verschlüsselung, merkt Hal Faber an.

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Schon wieder Crypto Wars? Schon wieder Hintertüren? Schon wieder Passwortherausgabe gegen verschlüsselte Kommunikation? Sich zur Frustbekämpfung süße Tierbilder anzuschauen (wie wär's mal mit Bildern von jungen Ziegen statt Katzenvideos?), hilft auch nicht, über die stete Wiederkehr des ewig gleichen Unsinns hinwegzutrösten: Steter Tropfen höhlt den Stein? Bitte nicht[ ]... Aber Männer, die auf Ziegen starren, sind auch keine Lösung.

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** How everything might be simplified and how
I am only a few molecules amongst so many
others. Some day scatter me and leave
a couple of planks behind.
(Marc Straus)

Huch, da wurde in Utah ein Obelisk gefunden und als "Monolith" durch die Nachrichten getrieben, prompt mit Assoziationen an den schwarzen Monolithen aus dem Film 2001: Odyssee im Weltraum, dem nicht zuletzt Hal Faber seine halbe Existenz verdankt. Nur hat sich das Kunstwerk von John McCracken, das bereits mit dem Gedicht gewürdigt wird, aus den Planken entwickelt, die McCracken gerne gegen massive Wände lehnte, die die Welt der Imagination und des geistigen Freiraumes der Menschen symbolisierte. Der erste Monolith, den das Team um Stanley Kubrick und dem Filmarchitekten Anthony Masters für den Film entworfen hatte, war ein pechschwarzer Tetraeder, der alle möglichen Spekulationen befeuern sollte. Keplers Kosmographie, das Kohlenstoffatom und Buckminster Fullers geodätische Gebilde sind in Kubricks Notizbüchern als Vorbilder für den geheimnisvollen Monolith erwähnt. Sie wurden in verschiedene Modell-Landschaften von Afrika und der Mondoberfläche gestellt.
"Aber aus irgendeinem Grunde entsprachen sie nie dem, was gewollt war und außerdem bestand die Gefahr, dass sie völlig unberechtigte Assoziationen zu den Pyramiden auslösen würden. Eine Weile erwog Stanley Kubrick, einen durchsichtigen Würfel zu verwenden, aber wie sich herausstellte, konnte man einen Würfel von der erforderlichen Größe nicht bauen. Er entschied sich also für eine rechteckige Form und besorgte einen 3 Tonnen schweren Block Metacrylharz - der größte, den man je gegossen hatte", erinnerte sich Arthur C. Clarke an die Dreharbeiten. Besonders ansehnlich sah der Kunststein aber auch nicht aus, bis sich Tony Masters entschloss, den Block matt pechschwarz anzumalen, damit er Assoziationen an einen Grabstein erweckt und alles Licht schluckt, das auf ihn fällt. In dieser Form stand mal ein Monolith auf der HAL 2001, vor einem Fuller-Dome, unter der Flagge des Pesthörnchens, das ein Foto des damals verstorbenen Wau Holland trägt. Was uns das sagen soll? Monolithen sind Planken einer intergalaktischen Gesellschaft von Datenreisenden.

*** Wir bleiben in der Vergangenheit der Zukunft. Im Jahr 2010 erschien das Buch Wie schlimm sind Bananen? von Mike Berners-Lee, in dem der Bruder des großen WWW-Vordenkers Tim Berners-Lee den CO2-Fußabdruck von allen möglichen Produkten berechnete. 10 Jahre später gibt es nun ein bemerkenswertes Update. Nicht nur in der Form, dass Berners-Lee ausgehend von der heutigen Zeit und vor dem Hintergrund eines Klimaanstieg von 1,5 Grad rechnet, der deutlich gefährlicher ist als die 2 Grad von 2010. Die Bilanz fällt zwiespältig aus: Auf der einen Seite immer noch die tumbe Politik und das Getue um die "Klimadebatte". "Aber im Vergleich zu 2010 spüre ich mehr Hoffnung, mehr Furcht und vor allem eine größere Dringlichkeit." In der Neuauflage tauchen Produkte wie Elektrofahrräder auf, die vor zehn Jahren noch gar nicht im Blickfeld von Berners-Lee waren, dazu Zoom-Konferenzen im Zeichen von Corona und Initiativen wie die von Greta Thunberg oder Extinction Rebellion. Die Neuauflage ist ein Buch für Apple-Fans geworden, denn eine Zoom-Konferenz mit einem 13-Zoll MacBook Pro kommt auf 2 Gramm CO2e (Kohlendioxid-Äquivalente), während ein Standard-Laptop bei 10 Gramm CO2e liegt und ein Desktop bei 50 Gramm, ohne die im Computer enthaltenen Emissionen zu berücksichtigen. Gegen die 20 Tonnen CO2e, die beim Fliegen zu einer Konferenz anfallen, sind das freilich Kleckschen. Google-Suchen fallen in der Neuberechnung mit 630.000 Tonnen CO2e ins Gewicht, machen aber in der Berechnung von Berners-Lee nur 0,0001 Prozent des Fußabdruckes der Menschheit aus. "Wir können entspannt sein", ist das Fazit von Berners-Lee über Google, deutlich entspannter, als das, was sein Bruder will.

*** Vom Fußabdruck geht es zum Fingerabdruck, der in diesem unserem Land auf Beschluss der Politik nun für den "neuen Personalausweis" verpflichtend gemacht wird. Zwar müssen nur die Zeigefinger erfasst werden, doch im Rahmen der biometrischen Gesamtüberwachungsrechnung hat der Staat ein wichtiges Türchen geöffnet. Nun prüfen Anwälte, wie die Fingerabdruckpflicht juristisch gekippt werden kann. Wer will schon einen Staat, der seinen Bürgern und Bürgerinnen so misstraut? Wer will schon einen Staat, der mit einem "Reparaturgesetz" das Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation zerdeppert? Was mit allergrößter Eilbedürftigkeit als Ergänzung zur Bestandsdatenauskunft von Juristen niedergeschrieben wurde, ist der helle Wahnsinn. Denn die Befugnis zur Auskunft über diese Daten soll schon dann gelten, wenn "die konkrete Gefahr besteht, dass eine Person an der Begehung" einer schweren Straftat "beteiligt sein wird". Neben den Bestandsdaten und möglicherweise angelegten Passworten soll das Bundesamt für Verfassungsschutz auch noch die Erlaubnis bekommen, auf "Zugangssicherungsinformationen" wie PIN und PUK zugreifen zu können. So lässt sich schnell ein Smartphone unter Kontrolle bekommen, wenn zu den Staatstrojanern für die Laptops und Desktops die Staatsseepferdchen für die Smartphones installiert werden können. Eine schöne Reparatur kommt da ins Bürgerhaus und wie immer ist eine dringliche Gefahr im Verzug, natürlich mit einer "konkreten Wahrscheinlichkeit", für die es keinerlei weitere Bestimmung geben muss. An digitalen Tatorten gibt es dann konkrete Wahrscheinlichkeiten zuhauf. Da sind die Crypto Wars, wie sie gerade auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wieder anzettelt, nachgerade harmlos. Könnte man meinen, ist aber auch falsch.

*** Wenn diese kleine Wochenschau online auftaucht, werden über drölfzig Zeitungsartikel den 50. Geburtstag der Tatort-Krimireihe abgefeiert haben. Selbst das "Lustige Taschenbuch" (Nr. 539) feiert das Jubiläum mehr schlecht als recht auf Entenhausener Weise. Die dienstältesten Kommissare, die beliebtesten Schauspieler, die meisten Morde, die schönsten Verbrechen und was sonst noch die Statistiken und Jubiläums-Infos der beteiligten Sendeanstalten so hergeben. Was dabei keine Rolle spielt, ist der berühmte Realitätsbezug: In Deutschland sind mehrheitlich Frauen mit 53,6 Prozent die Mordopfer, in den Tatorten sind es mehrheitlich Männer (56,6 Prozent), die umgebracht werden. Frauen sind ein mörderisches Geschlecht im Fernsehen: Jeder dritte Mord in einem Tatort wird von einer Frau begangen (36,8 Prozent), während in Gesamtdeutschland nur jeder achte Mord einer Frau zugeschrieben wird. Was fehlt, das ist der ganz alltägliche Rassismus in der deutschen Polizei: Es ist, als ob alle Sendeanstalten einen auf Seehofer in seiner ganzen Ta-Tortigkeit machen: "Da sind sogenannte 'Todeslisten' von Rechtsextremen mit Informationen über vermeintliche 'Feinde', die von der Exekutive durchgestochen wurden. Da sind Drohschreiben von einem 'NSU 2.0' mit Privatadressen, die von Polizeicomputern abgefragt wurden. Da sind die Beweismittelberge über das Kindesmissbrauchsnetzwerk in Lügde, die aus den Räumen der Kripo verschwunden sind. Da sind die – gefühlt – alle paar Tage neu auftauchenden Polizeichats, die voll sind mit menschenverachtender Hetze." Alles Übertreibung? Was ist dann mit dem jüngsten Eingeständnis, dass die Polizei den Veranstaltern der üblen Querdenker-Demos Informationen über die Anmelder von Gegen-Demonstrationen weitergegeben hat? Wie wäre es mit einem Tatort, der die Beamten der Bundespolizei beim illegalen Pushback inmitten schöner griechischer Insellandschaft thematisiert? Einen Titel hätten wir schon: Nur die Sonne war Zeuge.

Bald ist Weihnachten, dieses nun von der Politik mit einigen Reparatur-Richtlinien völlig überfrachtete Fest. Ein Fest, bei dem sich Christen ordentlich betrinken müssen, während die Juden, die Moslems und die Atheisten nicht einmal wie üblich beim Chinesen sitzen können, denn die letzten Zufluchtsstätten vor dem abendländischen Engelterror sind bekanntlich geschlossen. Immerhin kann man draußen den Stern von Bethlehem entdecken. Zu seinem Erscheinen machten sich drei Könige auf den Weg, weil sie kein Zoom hatten, sich mit dem Stall zu verbinden. Heute ist die Konjektion nicht im Sternbild des Fisches wie zur Geburt von Jesus, sondern im Zeichen des Wassermanns, der eher zu den Lebensentwürfen von Neo-Paganen und Hippies passt. Aber das sind Kleinigkeiten.

Danach geht es frischauf in die Zukunft! Bald ist ein Impfstoff da, bald wird die Kanüle in den Arm gedrückt, auf dass wir nicht mehr die Pobacken zusammendrücken müssen, wie es der oberste Seuchologe kürzlich formulierte. Wir alle sollten uns ein Beispiel an der Gematik nehmen, die mit den aufsteigenden Raketen und Böllern das neue Jahr mit dem Start der elektronischen Patientenakte feiert und so optimistisch war, in dieser Woche bei einer Regierungsantwort von einem Zukunftskonnektor oder Zukunftskonnektordienst zu sprechen, der am 1. Januar 2023 verfügbar sein muss. Kann sich dann jeder Mensch direkt mit der Zukunft verbinden, ohne in einen DeLorean steigen zu müssen? Leider nein, denn hier geht es nur um Altlasten-Beseitigung: Die Laufzeit der Sicherheitszertifikate in den VPN-Routern der mediziniischen Dienste in Praxen und Krankenhäusern ist nun einmal vom BSI auf fünf Jahre beschränkt worden. Dann müssen sie ausgetauscht werden, es sei denn, es finden sich Mittel und Wege, den Zertifikatsaufkleber zu trennen und huschhusch neue Zertifikate einzuspielen. Oder eben einen Zukunftskonnektor zu erfinden und einen Zukunftscomputer und was man sonst so in der Zukunft braucht. Keine Banane, aber vielleicht ein Handtuch.

(jk)