Solidarität in Zeiten der Seuche

In der Corona-Krise lohnt sich ein Blick in den Camus-Klassiker.

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(Bild: Rowohlt)

Lesezeit: 2 Min.

Lange überlebte „Die Pest“ vor allem im Schulunterricht. Nun verbreitet sie sich erneut: Der 1947 erschienene Roman von Albert Camus (1913–1960) wird in Coronazeiten wieder gekauft, nachgedruckt, aufgeführt, besprochen.

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Doch ist es nicht etwas weit hergeholt, Covid-19 mit der Pest zu vergleichen? Tatsächlich sollte man die Parallelen nicht überstrapazieren. Die Seuche war für den Nobelpreisträger Camus eine Metapher für das Nazi-Regime und die Absurdität des Lebens. Der Roman spielt in den 1940er-Jahren in der algerischen Stadt Oran, die wegen der Pest abgeriegelt wird. Weil damit auch der Briefverkehr endet, werden viele Eingeschlossene völlig von ihren Angehörigen abgeschnitten. Das lässt sich nur bedingt auf die heutige Zeit übertragen.

Anderes dürfte heutigen Lesern vertraut sein: Nach den ersten Fällen sträuben sich die Behörden, konsequent zu handeln. „Man schien dem Wunsch, die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen, viel geopfert zu haben“, schreibt Camus. Auch die Bevölkerung versucht zunächst, die Seuche zu ignorieren. „Die meisten waren vor allem empfindlich für das, was ihre Gewohnheiten störte oder ihren Interessen schadete. (...) Sie hielten sich für frei, und niemand wird je frei sein, solange es Plagen gibt.“

Als sich abzeichnet, dass die Quarantäne keine „vorübergehende Unannehmlichkeit“ bleiben würde, reagieren die Menschen mit Gewalt oder exzessivem Feiern. Daraufhin erlassen die Behörden ein Ausgehverbot. So entsteht ein „endloser Leerlauf, der alles zermalmte“.

Aber nicht jeder ergibt sich der Abstumpfung. Daneben wächst auch Solidarität. „Die einzige Art, die Leute zusammenzubringen, besteht darin, ihnen die Pest zu schicken“, sagt eine Nebenfigur. Und die Hauptfigur, der unermüdliche Arzt Dr. Rieux, schart viele freiwillige Helfer um sich. Er kann zwar längst nicht mehr heilen, sondern nur noch im Akkord todverheißende Diagnosen stellen. Trotzdem macht er weiter. „Die einzige Art, gegen die Pest anzukämpfen, ist der Anstand“, sagt er. Die Gewöhnung an die Verzweiflung sei schlimmer als die Verzweiflung selbst.

Buch: "Die Pest"
Autor: Albert Camus
Verlag: Rowohlt, 352 Seiten
Preis: 12 Euro (E-Book: 9,99 Euro)

(bsc)