Studie empfiehlt Schily Server-Umrüstung auf Linux

Auch für den Systemstreit zwischen Tux und Bill Gates im Bundestag könnte mit den Ergebnissen einer BMI-Studie eine Vorentscheidung gefallen sein.

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Die Berliner Infora Unternehmensberatung GmbH hat im Rahmen Studie, die heise online vorliegt, die Möglichkeiten für das Bundesinnenministerium (BMI) ausgelotet, die IT-Umgebung der Behörde auf eine Open-Source-Plattform beziehungsweise Linux umzurüsten. Unter Berücksichtigung von Aspekten wie "Wirtschaftlichkeit" und "Nutzwert" empfiehlt die Firma eine "gemischte Infrastrukturalternative": Demnach sollte in Zukunft neben Windows auch verstärkt Linux auf Servern des BMI laufen. Von einer Migration zum Pinguin auf den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter rät Infora allerdings noch ab.

Mit der Umsetzung dieser Alternative können den Projektanalysten zufolge, die den nicht öffentlich ausgeschriebenen Auftrag vom Innenministerium im April erhielten und ein halbes Jahr an ihrer Studie arbeiteten, "die Grundlagen für eine schrittweise Ausrichtung der Infrastruktur in Richtung Open Source gelegt werden". Ausschlag gebend für das Ergebnis waren strategische, funktionelle, monetäre und technische Aspekte. Als Prämissen hat Infora der Untersuchung angeblich die "Neutralität", die "Ermittlung des fachlich und wirtschaftlich besten Lösungswegs" sowie Punkte wie Investitionsschutz vorangestellt. Auch Nutzer- und Administrationsfunktionen sowie Sicherheitsstandards sollen eine wichtige Rolle gespielt haben.

Punkten konnte der Pinguin vor allem in der "Machbarkeitsstudie" des Gesamtprojekts. Demnach "können die bestehenden BMI-Infrastrukturfunktionalitäten grundsätzlich in einer Windows-2000- oder in einer Linux-Umgebung abgebildet werden". Einer kompletten Hinwendung zu Open Source, gegen die der Hausherr Otto Schily keine Bedenken hat, erteilte Infora trotzdem eine Absage. Eine deutliche Abkehr von der bisherigen Microsoft-Infrastruktur ziehe "umfangreiche Umstellungs- und Anpassungsmaßnahmen nach sich". Derart "weit gehende Eingriffe" in die vertraute Arbeitsumgebung will die Firma den BMI-Mitarbeitern in nächster Zukunft nicht zumuten.

Das Szenario einer vollständigen Umrüstung auf Linux, von der sich die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik (KBSt) immense Kostenersparnisse erhofft, schaffte es daher bei den Infora-Beratern nicht in die Endrunde. In der Nutzwert- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung taucht nur noch die Alternative "Windows in allen Bereichen" sowie die auf dem Server-Sektor um Linux angereicherte Variante auf. Bei den Auswirkungen auf den Haushalt weichen diese beiden Planspiele laut Infora "nicht gravierend voneinander ab." Die gemischte Plattform sei zwar zunächst aufgrund verstärkten Personalaufwands in der IT-Abteilung um rund 14 Prozent teurer. Doch gleichzeitig werde so die "sanfte" Migration in Richtung Linux möglich.

Die Computerwelt des Innenministeriums ist bislang ganz auf Microsoft eingestellt. Momentan läuft auf 91 Prozent der insgesamt rund 70 Server und auf 99,9 Prozent der fast 2000 Desktop-Rechner Windows NT. Nur für spezialisierte serverseitige Funktionsbereiche setzt die IT-Abteilung des Hauses auf Unix. Mit der bereits im Oktober fertig gestellten, allerdings vom BMI offiziell noch nicht veröffentlichten Studie sehen die Techniker nun "den Weg geebnet" für den Einmarsch von Linux in das Schily-Ministerium. Das weitere Verfahren befände sich aber noch "im internen Abstimmungsprozess", sagte ein Linux-Experte des Hauses gegenüber heise online. Von heute auf morgen sei die Server-Infrastruktur nicht umzustellen.

Lebhaft diskutiert wird unter Beobachtern nun, inwieweit die Empfehlungen für das Innenministerium bereits als Vorentscheidung für die heiß debattierte Frage zu sehen sind, ob Windows oder Linux einen "Sitz" im Bundestag erhalten. Der Ältestenrat im Reichstag hat auch dazu ein Gutachten bei Infora in Auftrag gegeben. Die Analysten selbst schreiben in dem BMI-Papier, dass "die Aussagen der Studie sich auf die speziellen Rahmenbedingungen des BMI beziehen und somit keinen allgemeingültigen Charakter haben". Eine Übertragung auf andere Einsatzbereiche sei "nur bei vergleichbaren technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen vertretbar". (Stefan Krempl) / (jk)