Schlichter bei Domainstreitereien angeblich parteiisch

Das auĂźergerichtliche Schlichten von Streitereien um Internet-Domains trifft auf parteiische Schiedsstellen, warnt ein kanadischer Jurist in einer Studie.

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Von
  • Monika Ermert

Das außergerichtliche Schlichten von Streitereien um .com-, .net-, .org- und künftig auch .info- und .biz-Domains ist billiger, schneller und effektiver als langwierige Gerichtsverfahren, loben die einen. Die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) eingeführte Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP, siehe dazu auch den Artikel "Namenspatron") offenbare immer deutlicher Parteilichkeit für die Kläger, die auf ihre Markenrechtsansprüche pochen, beklagen die anderen. Der kanadische Jurist Prof. Michael Geist warnte jetzt vor der offensichtlichen Parteilichkeit mancher Schlichter zu Gunsten der Markenrechtsinhaber bei den von der ICANN benannten Schiedsstellen. Diese Schlichter würden teilweise bevorzugt von den Schlichterorganisationen eingesetzt.

Beim National Arbitration Forum, das in Geists aktueller Studie besonders schlecht abschnitt, wurden über 50 Prozent aller Fälle von nur sechs der insgesamt 135 Schlichter abgearbeitet. Fünf der sechs entscheiden zu fast hundert Prozent für die Kläger; die durchschnittliche Erfolgsrate der Markeninhaber liegt bei rund 80 Prozent liegt. Bei der World Intellectual Property Organization fällt das Ergebnis nicht ganz so krass aus. Hier entfallen auf die sechs aktivsten Schlichter rund 17 Prozent der Fälle. Doch die Tatsache, dass zwei als Markenrechts-kritische Köpfe eingeschätzte Schlichter noch keine einzige Einzelentscheidung zugewiesen bekamen, macht laut Geist deutlich, dass die Verteilung kaum nach dem Zufallsprizip erfolgen kann. Die WIPO hat als Spitzenreiter der vier Schlichterorganisationen immerhin bereits rund 1.800 Fälle entschieden. "Die Provider behaupten zwar, dass sie die Fälle nach Zufallprinzip zuweisen. Aber ich glaube die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass das nicht so ist", meint Geist auf Anfrage von heise online.

Geist will mit seiner Studie auch nachweisen, dass die Kläger ganz offensichtlich davon profitieren, wenn nur ein einziger Schlichter bestellt wird. Mit der Einsetzung eines dreiköpfigen Schlichterpanels sinke die Erfolgsrate der Markenrechtsinhaber unabhängig vom Provider von über 80 auf rund 60 Prozent. Wird ein Dreier-Panel eingesetzt, entscheiden Kläger und Domaininhaber über die Zusammensetzung ihres Schiedsgerichtes, beim Eizelpanel entscheiden die Schlichterorganisationen unabhängig.

Als "trivial" wies Francis Gurry, Assistant Director General bei der WIPO in Genf, die Studie von Geist zurück. Gegenüber heise online sagte Gurry, seine Organisation wähle die Schlichter entsprechend Sprache, Nationalität und Neutralität aus. "Kommen der Antragsteller und der aktuelle Domaininhaber aus verschiedenen Ländern, wählen wir beispielsweise einen Panelisten aus einem dritten Land aus. Wir achten auch darauf, dass die Panelisten vorher nichts mit dem Fall zu tun hatten." Für Geists Befunde gibt es seiner Ansicht nach einfache Erklärungen. Dass einzelne Schlichter besonders häufig gewählt würden, sei einfach darauf zurückzuführen, dass man gerne die Schlichter wähle, die besonders schnell arbeiteten.

Auch für das von Geist konstatierte Absinken der Erfolgsrate für die Markeninhaber bei Dreier-Entscheidungen hat Gurry eine Erklärung. "In der Regel sind das die Fälle, in denen der aktuelle Domaininhaber eine starke Position hat und nicht bereits ist, die Domain einfach dem Markeninhaber zu überlassen", meint Gurry. Doch der WIPO-Domainchef räumt ein, dass die Reflektiertheit der Dreier-Entscheidungen höher sei. "Nur, wer will das denn bezahlen?" Ein Einzelentscheider garantiere ein schnelles und kostengünstiges Verfahren, das Richtige bei der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, die glasklare Markenverletzungen darstellten.

Der Vorstoß von Geist kommt in einem Moment, in dem die ICANN selbst über den Erfolg der UDRP nachdenkt. Eine spezielle Arbeitsgruppe soll bis November untersuchen, wie stark der Trend zur Wahl Kläger-freundlicher Provider ist und wie es mit der Qualität, Geschwindigkeit, Transparenz und den Fairness der Verfahren aussieht. Gurry und seine Kollegen bei der WIPO arbeiten aktuell an einem Bericht zu den möglichen Erweiterungen der UDRP im Rahmen des so genannten 2. WIPO Internet Domain Name Process. (Monika Ermert) / (jk)