Missing Link: Von der (Un-)Sicherheit in der Informationstechnik

Die erste Generation von IT-Netzwerkern geht in den Ruhestand. In der Politik ist das Netz bis heute nicht angekommen, findet Hans Peter Dittler.

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(Bild: Graphics Master/Shutterstock.com)

Lesezeit: 41 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Still und leise verabschiedet sich die erste Generation der Netzwerker in Deutschland. Nach dem „Herrn der Routen“ sprechen wir mit Hans Peter Dittler, der schon in den 90ern versucht hat, bundesdeutschen Strafverfolgern zu erklären, dass man für Ermittlungen keinen Krypto-Nachschlüssel braucht. In der Politik ist das Netz bis heute noch nicht angekommen, meint er.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Als Neuland wirklich noch Neuland war, warf sich Hans Peter Dittler ins Informatikstudium. 1980 gründete er sein erstes Unternehmen, profitierte vom Wirrwarr der Standards. 1998 schrieb er ein Buch über IPv6, das immerhin ein Vierteljahrhundert gebraucht hat, um anzukommen. Die deutsche Politik dagegen ist bis heute nicht wirklich angekommen, findet der gebürtige Pforzheimer, der 1999 antrat, um, wie er sagt, Europas Internet-Community in der grade entstandenen Netzverwaltung ICANN zu vertreten. Nach einem halben Jahrhundert Networking (technisch und politisch) droht ihm heute der ursprüngliche Internet-Positivismus und -Idealismus manchmal abhanden zu kommen – aber nur beinahe.

Du hast 1971 angefangen, Informatik zu studieren. Was hast du dir vor einem halben Jahrhundert dabei gedacht?

Hans Peter Dittler: Dass das etwas Neues ist. Dass es was Spannendes ist. Dass es etwas Kommendes ist, was wichtig wird und die Zukunft beherrscht. Ich habe schon in der Schulzeit programmiert.

Was denn?

Dittler: Das waren Büroanwendungen, triviale Sachen, Messinstrumente automatisieren. Ich wollte was machen, was zwischen Chemie, Physik und Mathematik liegt. Informatik war neu. Es war gerade der zweite Jahrgang in Karlsruhe. Es gab noch keine Prüfungsordnung. Die hat sich erst entwickelt, während wir studierten. Ich fand, das war Neuland, und Neuland ist spannend.

Vor 50 Jahren durfte man Informatik wohl auch noch mit gutem Gewissen als Neuland bezeichnen.

Dittler: Definitiv. Keiner konnte damals genau beschreiben, was das ist. Die Professoren waren auch nicht viel länger dabei als wir.

Warum Karlsruhe?

Dittler: Es eine der wenigen Universitäten in Deutschland, die das Fach überhaupt angeboten haben. Dortmund oder München standen noch zur Auswahl, Berlin hatte ich auch kurz überlegt. Man konnte damals noch keinen um Rat fragen, der abgeschlossen hatte.

Kanntest du den ersten Jahrgang und hast du mit damaligen Kommilitonen später zusammengearbeitet in Richtung Internet?

Dittler: Natürlich kenne ich einige aus den frühen Jahrgängen. Aber nur sehr wenige haben später im Bereich Internet gearbeitet wie Hans Lackner und Michael Rotert.

Du bist beruflich immer eigene Wege gegangen, hast dich nicht an einen großen Arbeitgeber gebunden...

Dittler: Das ist nicht ganz richtig. Ich war zunächst drei Jahre Assistent an der Uni Karlsruhe im Institut von Professor Zorn, übrigens mit den gerade Genannten zusammen, die später Xlink ausgegründet haben (Xlink, ursprünglich das eXterne Lokale Informatik-Netz Karlsruhe und einer der ersten ISP in Deutschland). Ende 1979 habe ich zusammen mit drei Partnern die Firma Conware Computer Consulting gegründet. Wir haben mit Geräte gebaut, die alles mit allem verbunden haben.