Missing Link: Von der (Un-)Sicherheit in der Informationstechnik

Seite 7: Dem Internet ging es gut

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Der Internet-Boom...

Dittler: Das Internet prosperierte. Dem Internet ging es gut. Wir hatten also keinen Anlass mehr, um den herum wir uns sammeln konnten. Wir hatten dann noch einzelne Veranstaltungen, auch mit Ministerien, etwa darüber, warum Kryptographie wichtig ist. Ein technisch orientierter Verein tut sich schwer, wenn er nichts mehr zu tun hat. Natürlich droht das Internet, überreguliert zu werden. Aber das ist keine technische Frage. Ich glaube, ein Großteil derer, die sich bislang engagiert haben, fühlt sich von diesen Problemen einfach nicht angesprochen.

Obwohl das Thema Krypto oder DNS-Filter technische Themen sind. Warum gab es denn zu NGOs, die sich heute mit diesen Themen befassen, keine Verbindung?

Dittler: Die haben einen anderen Ansatz. Technische Lösungen sind das eine. Man kann erklären, warum mit der Technik bestimmte Dinge nur so oder so funktionieren, sagen wir mal DNS Sperren a la Büssow (der damalige Regierungspräsident in Düsseldorf, d. Red.). Wenn die andere Seite nicht zuhört oder technische Fakten in den Wind schlägt, sagt der Techniker, sorry, ich habe alles getan, dreht sich um und geht. Ich habe gerade eine E-Mail von einem langjährigen deutschen ISOC Mitglied bekommen, der schreibt, er hat keine Lust, noch einmal zu erklären, warum starke Krypto wichtig ist. Er hat das zwanzigmal erklärt. Das muss reichen. Wer einen politischen Ansatz hat, der weiß genau, dass er immer wieder gegen Überzeugungen argumentiert – und er wird nicht müde, das zu tun. Das ist ein ganz anderer Typ. Den haben wir in der ISOC Deutschland nicht.

Die große ISOC hat sich dieser politischen Arbeit aber sehr wohl verschrieben. Hat die sich insofern gewandelt?

Dittler: Die internationale ISOC hat sich deutlich gewandelt. 1992 wurde sie in Kobe als ein Schutzschirmchen rechtlicher Art für IETF gegründet, weil die nicht organisiert war. Heute ist sie eine NGO, die auf einem dicken Strom von Geld sitzt und damit Projekte verschiedenster Art macht. Der IETF-Anteil von sieben Millionen US-Dollar ist gerade mal ein Achtel des Gesamtbudgets.

Ist denn die ISOC international ein Sammelpunkt für eine Community?

Dittler: Das ist eine Community, um die herum sich eine ganze Menge Leute sammeln. Das Lustige ist, dass die ISOC international in Deutschland ungefähr viermal so viele Mitglieder wie die deutsche ISOC hat. Weil viele Leute, die bei ISOC Mitglied sind, sich nicht um deutsche Belange scheren. Die wollen nur den internationalen Aspekt des Internets sehen. ISOC international hatte in den vergangenen Jahren einen stetigen Zuwachs an Mitgliedern, und auch die ISOC.de wächst wieder leicht.

Wie viel sind denn in der ISOC.de?

Dittler: Das sind aktuell etwa 75. Für mich ist die Zahl genauso wie die der ISOC international-Mitglieder in Deutschland ein deutliches Zeichen, dass das Interesse, sich aktiv mit der technischen Seite des Internets zu befassen, winzig klein ist. Dabei ist es gar nicht so schwierig, Sponsoren für Veranstaltungen zu finden. Die ISOC international hat mittlerweile so viel Einnahmen, dass die Organisation es kaum schafft, das Geld sinnvoll auszugeben. In den letzten drei Jahren ist das Vermögen, was bei ISOC liegt, um 40-50 Millionen Dollar gewachsen.

Wird das Geld nicht investiert, um die eine oder andere Insel ans Internet anschließen?

Dittler: Das Problem ist, Leute zu finden, die das zuverlässig und nachhaltig machen. Geld irgendwo hin zu karren und auszukippen ist kein Kunststück. Aber Geld jemandem zu geben, der was Sinnvolles damit macht, ist gar nicht so einfach, ich weiß das aus meiner Zeit als Trustee im Vorstand von ISOC international. Natürlich werden Internet-Exchanges in Afrika aufgebaut, mit eigenen Leuten. Man macht Fortbildung. Aber damit kann man nur soundso viel Millionen im Jahr sinnvoll ausgeben. Vor drei Jahren wurde daher die ISOC Stiftung gegründet, die Projekte Dritter bezuschusst oder finanziert, etwa den Anschluss von 20 Dörfern im Hinterland von Mexiko oder Kenia. Aktuell laufen allein fünf große Covid-bezogene Projekte, jedes bezuschusst mit über 200.000 Dollar. Da werden beispielsweise Schulen mit besserem Equipment für den Fernunterricht ausgestattet. Wie man an der deutschen Entwicklungshilfe sehen kann, kann man viel Geld ausgeben, ohne allzu viel zu bewirken. Wir haben im ISOC-Vorstand nach einem neuen Weg gesucht, das Geld sinnvoll auszugeben.

Gibt es in Deutschland ISOC-geförderte Projekte?

Dittler: Es gibt mindestens mal zwei Projekte in Berlin, eine Gruppe macht Rundfunk für Südamerika, die andere untersucht, wie frei das Internet in einzelnen Ländern ist.