Missing Link: Von der (Un-)Sicherheit in der Informationstechnik

Seite 11: Das große Datensammeln ist relativ neu

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Da hatten sie aber das Darknet nicht gegen sich...

Dittler: Polizisten dürfen das Internet ja auch nutzen. Die Staatsanwaltschaften verwenden Google Translate, um internationale Strafbefehle zu übersetzen und sind daher viel schneller. Anweisungen für Abhörschaltungen werden übers Netz übermittelt. Polizisten und Staatsanwälte nutzen das Internet für jeden Schritt ihrer Ermittlungen. Aber eben so, wie alle anderen das Internet auch nutzen können. Das große Datensammeln durch Dienste und Strafverfolger, das gab es in den ersten Jahrzehnten nicht, das hat erst im ersten Jahrzehnt des Jahrtausends angefangen. Da nahm zum Beispiel die Great Firewall of China ihren Betrieb auf. Kurz danach wurde bekannt, dass von Cisco und Juniper entsprechende Geräte auch in andere Länder geliefert werden.

War das der Anfang vom Ende der Idee vom Internet als positiver Kraft? Und treibt nicht die laufende Regulierung, gerade auch im Inhaltebereich, das Netz weiter in die falsche Richtung?

Dittler: Es hängt schon davon ab, wo reguliert wird. Warum sollte der Anbieter Tracebook nicht dafür haften, was auf seiner Plattform veröffentlicht wird? Wo ist der Unterschied zur Zeitung? Eine Zeitung, die unkommentiert, die unkommentiert Leserbriefe veröffentlicht, die den Holocaust leugnen, würde sich strafbar machen. Eine Regulierung auf der Inhaltsebene ist für mich keine Regulierung des Internet. Wenn ich aber sage, mein ISP oder mein DeCIX muss den Datenverkehr zu diesem Anbieter filtern, so dass er gar nicht mehr in der Lage ist, rechtlich belastete Dokumente hochzuladen. Dann greife ich ins Internet ein. Das ist gefährlich und da ist für mich die Grenze. Aber es ist eine sehr feine Grenze, die immer wieder erklärt werden muss. Das findet in der öffentlichen Diskussion zu wenig statt. Natürlich hat Facebook versucht, eine neutrale Stellung zu erreichen. Da kämpfen die ja auch mit allen Waffen dafür, dass sie eben nicht als Zeitung eingestuft werden. Für mich ist es auch ein Unterschied, ob jemand Punkt zu Punkt mit jemandem kommuniziert im Netz, das geht niemand anderen etwas an. Da sehe ich auch nicht ein, warum es einen Nachschlüssel geben soll. Wenn jemand auf einem öffentlichen Forum marodiert, da kann ich verstehen, dass die öffentliche Hand sagt, das geht mich etwas an. Da will ich reinschauen. Ich bin selbst unentschieden, ob man völlig offene Plattformen im Stil von Facebook braucht.

War aber nicht das alte Usenet auch völlig offen?

Dittler: Das Usenet hat allerdings durchaus auch Teile, da möchte ich lieber nicht hin. Es ist beispielsweise eine Riesen-Pornoschleuder.

Wir haben angefangen mit der Frage, warum du vor fast 50 Jahren Informatik studiert hast. Was sagst du den Studierenden heute, warum sie das machen sollten?

Dittler: Es ist ein Gebiet, in dem man viel lernen kann. Es gibt haufenweise Spezialisierungen. Man kann garantiert weiterhin gut Geld verdienen. Es ist auch ein Gebiet, in dem man alle fünf Jahre sein Wissen wegwerfen und neu anfangen kann. Man kann in der Informatik Wissen nicht recyclen. Wer die damit verbundene Herausforderung nicht annimmt, nicht ununterbrochen dabei bleibt, der hat keine Chance. Ich empfinde das nach wie vor als anspruchsvoll und ich lerne immer noch was dazu. Alle zwei Jahre lerne ich eine neue Programmiersprache und jedes Jahr, mit einem neuen Device umgehen. Für mich war es auf jeden Fall das Richtige.

Welche Spezialisierung empfiehlst du?

Dittler: Ich muss natürlich Netzwerke sagen. Im Ernst, Netzwerke sind die Grundlage von fast allem in der IT. Wer sich auf Netzwerke spezialisiert und gute Programmierkenntnissen hat...

...hat nochmal 50 Jahre zu tun?

Dittler: Soweit reicht meine Glaskugel nicht. Nach drei Jahren wird sie wolkig, nach fünf Jahren matt. Vielleicht muss man als Informatiker in fünf Jahren mit Quanten umgehen können. Ich glaube das zwar noch nicht, aber genügend Herausforderungen gibt es da sicher auch noch.

(tiw)