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Was war. Was wird. Wir wuseln wachsam weiter.

Bald sind alle Probleme der Welt gelöst! Könnt ihr sie schon sehen, die rosige Zukunft? Hal Faber zweifelt, trotz des Optimismus, den er sonst an den Tag legt.

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Man wuselt so herum. Und versucht, alles im Blick zu behalten. Aber irgendwann ist man nur noch müde.

(Bild: Olga Visavi / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Weihnachten ist fast vorbei und die Hacker wuseln geschäftig in der Vorbereitung ihres Congresses durch die Hallen der Leipziger Messe, da passt der Song "All I want for Christmas..." doch wie die Faust auf das berühmte Auge. Jedenfalls dann, wenn man nicht mit Wham geprügelt werden möchte. All das Hämmern und Basteln wird heute Mittag beendet sein, damit ein diesmal sehr literarisch orientierter Congress der antiverschwurbelten Aktion stattfinden kann. Es gibt eine Lesung mit unserem Hausautor Andreas Eschbach, der zahlreichen Heise-Lesern in seinem Workshop erklärt hat, wie man einen Roman schreibt und dass dies auch nicht schwerer ist als etwas auf eine Platine zu löten. Frühzeitig hat Eschbach vor diesen Wahlcomputern gewarnt, die Donald Trump nun als Argument nutzen möchte, um sich am 6. Januar als König von Amerika ausrufen zu lassen. Auch Cory Doctorow und Theresa Hannig sind mit von der Partie und sollten an dem digitalen Lagerfeuer Wunderliches erzählen. Wie man von einer SAP-Beraterin zum Schreiben von Science Fiction kommt, ist jedenfalls eine Unterhaltung wert. Schließlich gibt es eine Lesung aus Quality Land 2.0, die beim letzten realen Congress nicht im Stream übertragen werden durfte. Man darf gespannt sein, wie ein Maschinentherapeut mit einem Computer arbeitet, der mentale Probleme hat.

*** Das bringt mich zu den weniger schönen Meldungen wie der vom Tod des Science-Fiction Autors James Gunn, der sich im Roman über den Gamma-Stoff seine Gedanken über Multimillionäre in den USA gemacht hat, die dank einer Blut-Impfung unsterblich sind. Mit den Horchern hat Gunn eine entzückende Sammlung von Geschichten und Zitaten geschrieben, die davon handeln, dass in vier Jahren, im Jahre 2025 alle Probleme der Welt gelöst sind und wir uns auf die wichtigen Dinge konzentrieren können. Etwa auf die Kommunikation mit außerirdischen Wesen, auch wenn die Laufzeit einer Antwort auf unsere Fragen und Rufe schlappe 92 Jahre dauert. Doch das macht nichts, denn wir haben ja Computer, die sich an diese Sachen erinnern und ihrerseits nun Bewusstsein genug haben, um wieder antworten zu können.

*** 98 jahre wurde George Blake alt, einer der berühmtesten Doppelagenten des Kalten Krieges. Er übermittelte die Pläne vom Bau eines Spionage-Tunnels durch die Amerikaner und Briten an die sowjetischen Behörden – wer den Bericht im Link ganz nach unten runterrollert, kann Blake hören, wie er die Geschichte zum Besten gibt. Der enorme Aufwand, der mit dem Tunnel getrieben wurde, um unterirdisch an die Telefonkabel der Russen zu kommen, um die Kommunikation abhören zu können, ist heute nicht mehr nötig.

*** Damals war die Operation Tunnelbau ein Schlag ins Wasser. Wer weiß, dass er abgehört wird, sendet harmloses Material über den kompromittierten Kanal, das ist heute nicht anders. Heute greifen selbst die Chinesen auf Ideen zurück, die im Kalten Krieg mit dem Geheim-Projekt Combo entwickelt wurden und verstecken die Kommunikation ihrer U-Boote in den Gesängen von Walen und Delfinen. Blake wurde nach seiner Enttarnung in Großbritannien übrigens zu 3*14=42 Jahren Haft verurteilt, eine happige Strafe, die von Friedensaktivisten kritisiert wurde. Sie halfen ihm bei der Flucht aus dem Gefängnis Wormwood Scrubs und transportierten ihn in einem Wohnmobil nach Deutschland, wo er sich schließlich in Ostberlin melden konnte.

*** Heute wäre der Transport nicht ganz so einfach, nicht nur wegen der erforderlichen Corona-Schnelltests. Zwar pendeln unzählige Kleinlaster zwischen Polen und Großbritannien, doch noch ist der Megastau nicht aufgelöst, der durch einen Stopp der Grenzabfertigung ausgelöst wurde. Immerhin ist inzwischen ein "Deal" zwischen der EU und Großbritannien da, bei dem auf beiden Seiten Seufzer der Erleichterung über den großen oder kleinen Fischkompromiss zu hören waren. Wobei der Status noch zwischen Groß-Britannien, Mittel-Britannien oder Klein-Britannien schwanken kann, denn London kann künftig kein Veto einlegen, wenn Schottland mitsamt seiner Fischereizonen wieder in die EU aufgenommen werden will. Auch wenn viele Details noch ausstehen, so ist doch klar, dass Großbritannien weiterhin an Forschungsvorhaben wie Horizon Europa, Euratom, Copernicus und dem Space Surveillance and Tracking Segment der ESA beteiligt ist. Auf der Negativseite steht klar der Ausstieg aus dem europafreundlichen Erasmus-Projekt für den Studentenaustausch. So warten wir nicht mehr auf den Weihnachtsmann oder das Christkindle, sondern auf Boris Johnson, der versprochen hat, nach dem Deal die Insel zur führenden Solar- und Windkraft-Produktionsstätte machen zu wollen. Angeblich war es ja die EU, die diese Vorhaben immerzu behindert hat. Und ja, auch diese Prognose von Johnson harrt einer Umsetzung: "In the future, voice connectivity will be in every room and almost every object: your mattress will monitor your nightmares; your fridge will beep for more cheese."

*** Es gibt andere, weitaus schlimmere Aussagen, bei denen man mit dem Kopf auf den Tisch klopfen möchte, so bescheuert sind sie. Auch über Weihnachten hinweg gab es wieder reichlich Unsinn zum Datenschutz. Da war der grüne Politiker Boris Palmer, der von einem Datenschutz-Kult bei der Corona Warn-App fantasierte oder der als "Philosoph" eingeordnete Kulturfunktionär Julian Nida-Rümelin, der in einer Talkshow Südkorea, Taiwan und Japan als Vorbilder ausmachte und den deutschen Datenschutz als Gefahr für die deutsche Volksgesundheit. Alles Aussagen, die bei näherer Überprüfung sich als ziemliche Verdrehungen herausstellten, aber wer will in diesen Tagen schon etwas von Fakten wissen? Auch hier kann man sich übrigens abseits aller literarischen Lagerfeuer über den Stream des Congresses selbst schlau machen, warum die App mit Bluetooth arbeitet und nicht das Mikrofon, das GPS oder sonstwas zur Hilfe nimmt, was angebliche Experten so behaupten.
Und eigentlich ist ja alles schon gesagt, schon lange, und immer wieder:

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Heute vor 38 Jahren wählten die Journalisten der Zeitschrift Time den Personal Computer zur Person des Jahres. Es war das erste mal, das kein Mensch oder eine Gruppe von Menschen, sondern ein technisches Gerät die Wahl gewann. Glaubt man an die Computer-Saga, so war dies die schlimmste Niederlage, die Steve Jobs in seinem Leben erfuhr. Denn Jobs erwartete wohl, nach einer Titelgeschichte über Apple als Person des Jahres auf dem Titel zu stehen. Gegenüber seinem Biographen Walter Isaacson gab er zu, beim Öffnen der Post geweint zu haben, als er den Titel sah. An die Meldung musste der Chronist dieser kleinen Wochenschau denken, als im Radio düdelte, das auf Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer "der Computer" ausgefallen ist. Nanu? Zuverlässig wie eh und je in diesem wie im nächsten Jahr lieferte der Newsticker Details von den IT-technischen Einschränkungen beim Bordinformationssystem und beim Unterhaltungsprogramm von Kreuzfahrtschiffen. Klar, dass man ohne Unterhaltung in der Kabine einfach keine "lustige Silvester-Kreuzfahrt mit Gala-Programm" machen kann, die am Montag Kurs auf Mallorca nehmen sollte. Bleibt die Frage: Wer macht in diesen pandemischen Zeiten überhaupt noch eine Kreuzfahrt? Wäre es nicht an der Zeit, zu zweit im engsten Kreis ein kleines Tretboot zu nehmen und sich ordentlich in die Pedalen zu hängen, bis der Körper warm und mollig ist? Maschsee statt Mallorca!

(jk)