rC3: Glasfaser poliert, Realität gehackt – CCC-Kongress im Neuland gestartet

Der Chaos Computer Club wollte ein "Superspreader-Event rund um Weihnachten" vermeiden und hat mit dem rC3 eine blinkende Online-Kongress-Welt aufgebaut.

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(Bild: ccc.de)

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Mit dem Befehl "Enter" und dem schon aus "Alice im Wunderland" bekannten Appell "Follow the white rabbit" hat der Chaos Computer Club (CCC) am Sonntagmittag seinen ersten rC3 (remote Chaos Communication Congress) im Neuland gestartet. Aus der Regie kam dazu noch der Hinweis zum Gebrauch der damit für vier Tage in Betrieb genommenen Online-Welt: "Es gibt noch diverse Baustellen, aber die größten Ecken und Kanten sind schon ausgeschliffen."

Beim CCC gibt es das geflügelte Wort, dass die intergalaktische Hackertruppe mit dem Aufbau des Kongresses auch in der physikalischen Welt nie fertig ist, bevor der Abbau losgeht. So steht dieses Jahr zunächst von der geplanten "2D-Welt" für eingeloggte Besucher der "remote Chaos Experience" noch nicht viel mehr als der Startbildschirm bereit. Darüber ermöglicht werden soll unter anderem ein Videochat mit Freunden, die Teilnahme an virtuellen Workshops oder das Anlegen einer persönlichen Liste favorisierter Vorträge.

"Die letzten Bits & Bytes fallen gerade an ihre Plätze", hieß es am Sonntagvormittag in einer Mail an die glücklichen Besucher, die eines der begehrten Online-Tickets für die inneren Hallen der Plattform ergattern konnten. "Der Online-Aufbau ist deutlich anders, aber auch hier kommen wir langsam dahin, dass sich die Tore der rC3 öffnen."

Schon vorhanden ist der "Community Content" mit über 20 eigenen Bühnen, selbstorganisierten Diskussionsrunden und 256 Versammlungen in Form sogenannter Assemblies. "Wir hatten sie als 8-Bit-Welt geplant", scherzte die Hackerin "blubbel" beim offiziellen Auftakt. Angesichts des virtuellen Andrangs sei ein Upgrade auf 16 Bit erfolgt, sodass nun genügend Platz für alle vorhanden sei.

Blubbel

(Bild: CC by 4.0 rC3 media.ccc.de)

Für alle Interessierten ist auch ohne Kongressticket das Programm in Form des "Fahrplans" sowie das Streaming-Portal traditionell frei verfügbar, über das die Vorträge über diverse Online-Bühnen live übertragen und im Anschluss auch rasch für einen späteren Abruf bereitgestellt wird. Das "Video Operation Center" (VOC) hatte dazu angekündigt, dass "die Cloud kräftig erweitert" worden sei und nun genug Speicherplatz für sämtliche Aufzeichnungen biete. Die Aufnahmeleitung teilte mit: "Satellitenverbindung zu Chaos-Studios hergestellt". Startklar zeichneten sich etwa auch die Teams für Übersetzungen und Untertitel, die "Heralde" für die Moderation sowie 1486 "Engel" als mehr oder weniger himmlische Helfer.

Bis zum Sommer hatte der CCC angesichts damals vergleichsweise geringer Infektionszahlen noch gehofft, die Großveranstaltung auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie als "37. Chaos Communication Congress" (37C3) in Leipzig durchführen zu können. Doch schon damals hatten Engel, die hauptberuflich in Krankenhäusern arbeiteten, signalisiert, dass die Intensivstationen voll seien und man nur noch Abstriche und Tests mache.

Anfang September beschlossen die Hacker schweren Herzens laut blubbel, dass ein "Superspreader-Event rund um Weihnachten unverantwortlich wäre". Es gebe ja auch noch "das Internet, wo wir alle uns auskennen". Also habe das Motto gelautet: "Wir sind das Chaos, sind Nerds, sind Hacker. Die Realität muss gehackt werden". Her mit der koffeinhaltigen Brause Club Mate, ran an die Tastaturen, "lötet, klebt, blinkt", habe man gemeinsam in die Hände gespuckt.

Zwischendurch habe es zwar "ein kleineres Problem" mit den ersten Tickets und der langen Online-Schlange gegeben. Doch nun konnte die Zeremonienmeisterin die Ansage machen: "Wir haben da mal was vorbereitet" nach richtig harter Arbeit. Selbst der Cat Content und das obligatorische Fax funktionierten. Das "Team Infrastruktur" stehe bereit und habe "die Glasfaser poliert". Zum Glück skaliere das Internet ja auch unendlich und es "ist ja auch kein Bluetooth", erklärte Blubbel mit viel Hackerironie. Das Team für die "kritischen Infrastrukturen" habe selbst die Festplatten in reichlich Antiviren-Lösung desinfiziert, sodass kaum mehr etwas schiefgehen könne.

Zum Beginn hatte allerdings die Streamingplattform Probleme, zunächst war sie nicht erreichbar. Ein für 14 Uhr geplanter Talk startete erst mit 20 Minuten Verspätung.

(tiw)