Härtetest für Übersetzungstools

Es gibt einige deutsche Wörter, die sich angeblich nicht übersetzen lassen. Was, wenn man es trotzdem probiert?

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(Bild: Photo by Joshua Hoehne on Unsplash)

Lesezeit: 2 Min.

Zu Weihnachten habe ich eine Kartenbox mit „German Untranslatable Words“ bekommen – „Schadenfreude“, „Kopfkino“, „Weltschmerz“ und so weiter. Doch sind diese Wörter tatsächlich unübersetzbar? Und wie schlagen sich die einschlägigen Übersetzungstools, wenn man sie mit solchen schweren Brocken konfrontiert?

Das Ergebnis zeigt interessante Stärken und Schwächen der jeweiligen Tools. Zum Beispiel übersetzen sowohl Google als auch DeepL „Schadenfreude“ schlicht mit „Schadenfreude“. In der Tat ist dies ein Germanismus, der mir schon öfter in englischsprachigen Publikationen aufgefallen ist („Maybe it’s just Schadenfreude“). Insofern ist die Übertragung beziehungsweise Nicht-Übertragung ins Englische durchaus korrekt. Linguee und Leo.org bieten darüberhinaus aber noch weitere Übersetzungen: „gloat(ing)“, „malicious joy“ und „mischievousness“. Alles nicht schlecht, auch wenn „gloating“ bisher weder zu meinem aktiven noch passiven Wortschatz gehörte. Wieder was gelernt.

Apropos Germanismen: Alle von mir ausprobierten Tools übersetzten „Fernweh“ unisono mit einem weiteren Germanismus: „Wanderlust“. Das ist nicht wirklich das Gleiche. Nur Leo schlug noch das etwas freiere, aber durchaus passende „itchy feet“ vor – also „juckende Füße“. Und für „Sitzfleisch“, von Google und DeepL eins zu eins als „Seat meat“ verenglischt, findet sich bei Leo das treffendere „steadiness“. Andererseits zeigt Leo auch Lücken: Das schöne Wörtchen „Verschlimmbesserung“ taucht gar nicht in der Datenbank auf, während die anderen Tools mit „Disimprovement“ oder „Aggravation“ recht brauchbare Übersetzungen anbieten.

Insgesamt aber scheint mir Leo die bessere Quelle zu sein, wenn es um feinziseliertes Vokabular geht – obwohl ich für zusammenhängende Texte DeepL nach wie vor sehr schätze. Seltsam nur, dass DeepL für Groß- und Kleinschreibung unterschiedliche Übersetzungen anbietet: Für „Lebensmüde“ das völlig unpassende „Lifelong“, für „lebensmüde“ hingegen das angemessenere „suicidal“. Hier zeigt sich offenbar, dass DeepL für Texte und nicht einzelne Wörter gebaut wurde (für Letzteres gibt es den Schwesterdienst Linguee).

Solche Seltsamkeiten spiegeln auch die unterschiedlichen technischen Ansätze wider: DeepL arbeitet mit Statistik und neuronalen Netzen, Leo – eine der ältesten deutschsprachigen Webseiten überhaupt – mit dem Input der User. Menschliche Erfahrung schlägt zumindest in diesem Fall tendenziell immer noch die schiere Rechenpower.

(grh)