Facebooks Oversight Board erlaubt Goebbels-Zitat und nackte Brüste

Die ersten Entscheidungen des Facebook Beschwerde-Rats machen 4 der 5 überprüften Zensurentscheidungen rückgängig. Sogar eine COVID-Lüge wird wiederhergestellt.

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Facebook-Logo umgeben von nach unten zeigenden Facebook-Daumen

(Bild: TY Lim/Shutterstock.com)

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Facebooks Oversight Board hat am Mittwoch seine ersten Entscheidungen veröffentlicht. Dieser unabhängige Beschwerde-Rat überprüft ausgewählte Streitfälle zwischen dem Konzern und seinen Anwendern. In vier der fünf veröffentlichten Fälle gibt das Gremium den Nutzern recht, nur in einem den Facebook-Zensoren.

Bei Einrichtung des Beschwerde-Rates hat sich Facebook dazu verpflichtet, die Entscheidungen umzusetzen. Im Dezember startete Facebooks Oversight Board mit ersten Fällen, die nun entschieden worden sind. Dazu gehört ein im Oktober ohne weiteren Kommentar auf Englisch gepostetes angebliches Goebbels-Zitat. Joseph Goebbels war Hitlers Propagandaminister und steht seit 2009 bei Facebook auf der Liste gefährlicher Personen und Organisationen.

Deren Zitate löscht Facebook, sofern die Poster nicht klarstellen, dass sie deren Gesinnung oder Absichten nicht unterstützen – egal, ob das Zitat der gefährlichen Person korrekt oder fälschlich zugeschrieben wird. In diesem Fall war die Löschung aber unzulässig, sagt das Oversight Board, weil der Poster keine Nazi-Ideologie unterstützt habe. Vielmehr sei aus den Reaktionen auf das Posting ersichtlich, dass der Autor einen kritischen Vergleich zum damaligen US-Präsidenten Donald Trump habe ziehen wollen.

Das Beschwerdegremium kritisiert, dass die öffentliche Version der Zensurregeln Facebooks in diesem Bereich undeutlich seien (2020-005-FB-UA). Es empfiehlt Facebook, in seinen Vorschriften Begriffe wie "Lob", "Unterstützung" und "Darstellung" zu erklären und mit Beispielen zu erläutern. Außerdem solle Facebook die Liste der verbotenen Personen und Organisationen veröffentlichen, oder zumindest Beispiele nennen. Schließlich müsse Facebook bei Zensurentscheidungen stets die Gründe und die genauen Bestimmungen angeben, mahnt das Gremium ein.

Ebenfalls wieder online stellen muss Facebook ein Video aus Frankreich, das fälschlich behauptet, es gäbe eine COVID-19 heilende Medikamentenkombination mit Hydroxychloroquin. Diesen Fall hatte Facebook selbst eingereicht, um Klarheit zu schaffen. Das Oversight Board erkennt in der Heilslüge keine "unmittelbare" Gefahr, weil die genannten Medikamente in Frankreich verschreibungspflichtig sind und das Video nicht zu ihrer Einnahme auffordere (2020-006-FB-FBR).

Außerdem habe Facebook im Verfahren nicht dargelegt, warum es keine milderen Mittel als die Löschung des Videos gewählt habe, etwa einen Warnhinweis. Das Gremium kritisiert Facebooks Vorschriften über Falschinformation und unmittelbare Gefahren als vage und als mit den Menschenrechten unvereinbar. Hausaufgabe für Facebook ist, einheitliche und deutlichere Vorschriften über medizinische Falschinformation abzufassen, weniger gravierende Eingriffe als Löschungen zu erarbeiten, und einen Transparenzbericht über die Durchsetzung der Vorschriften während der Coronavirus-Pandemie zu schreiben.