20 Jahre Agiles Manifest – definitiv den Kinderschuhen entwachsen

Was vor 20 Jahren für Softwareentwickler gedacht war, ist mittlerweile unternehmens- und branchenübergreifend von Bedeutung. Eine Würdigung von Jutta Eckstein.

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(Bild: Ward Cunningham )

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Jutta Eckstein
Inhaltsverzeichnis

Am heutigen Tag feiert das Agile Manifest seinen zwanzigsten Geburtstag. Erstaunlicherweise gilt selbst nach all der Zeit noch immer, dass "agil" für viele Unternehmen gleichbedeutend mit "neu" und "trendy" ist. Die Pandemie hat gerade erst die Aktualität der Agilität aufgezeigt. Langfristige Pläne, die 2019 erstellt wurden, hatten bereits im März 2020 ihre Gültigkeit verloren. Das heißt, die Idee, Veränderungen anzunehmen und basierend auf Ergebnissen und der aktuellen Situation ständig dazuzulernen, wird zunehmend essenzieller.

In einer nicht repräsentativen Umfrage auf Twitter stellte sich heraus, dass das Agile Manifest erstens immer noch von Bedeutung ist und es zweitens Prinzipien gibt, die favorisiert werden. Die folgenden Prinzipien gehören laut der Umfrage zu den Top 3:

  • Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell.
  • Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
  • In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann, und passt sein Verhalten entsprechend an.

Im gleichen Zuge wurden ein paar Prinzipien genannt, die als besonders schwierig umzusetzen oder auch als nur schwer verständlich gelten. Diese sind:

  • Fachexperten und Entwickler müssen während des Projekts täglich zusammenarbeiten.
  • Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.

In regelmäßigen Abständen taucht die Frage auf, ob und wann das Agile Manifest aktualisiert werden sollte. Dazu gibt es eine einfache Antwort: nie. Im Gegensatz zu Scrum, das lediglich zwei Autoren entwickelt haben und von daher immer wieder, so auch 2020, aktualisiert wird, liegt das Urheberrecht des Agilen Manifests bei der Gruppe der Autoren. Und diese wird in dieser Konstellation nicht mehr zusammenkommen. Das liegt einerseits daran, dass die Autorengemeinschaft (und damit auch die agile Community) leider den schweren Verlust von Mike Beedle zu beklagen hatte, der 2018 in Chicago erstochen wurde. Andererseits gibt es teils schwere Verwerfungen unter den Autoren, allen voran zwischen Robert Martin und einigen anderen Manifest-Begründern, und zwar weil sich "Uncle Bob" wiederholt rassistisch und frauenfeindlich geäußert hat. Insofern ist es unmöglich, dass sich die Autorengemeinschaft nochmals auf etwas Gemeinsames verständigen wird.

In den letzten Jahren sind diverse andere Manifeste entstanden. Die einen versuchen, das Agile Manifest für Domänen zu definieren, die außerhalb der Softwareentwicklung liegen, etwa das Agile Marketing Manifest oder das Agile HR Manifest.

Die anderen sind der Versuch, das Agile Manifest zu aktualisieren. Dazu gehören Agile 2, Heart of Agile oder Modern Agile. Ersteres ist nicht viel mehr als eine gute Reflexion des Agilen Manifests. Bei anderen Aktualisierungen wie bei den letzten beiden entsteht jeweils eine begeisterte Sub-Community. Grundsätzlich aber gilt, dass alle alternativen Manifeste die Anzahl der agilen Manifeste erweitern, aber nicht das ursprüngliche Manifest ersetzen.

Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Entwicklungen wie Working out Loud oder New Work, die sich auf einen Aspekt der Agilität fokussieren und ihn in den Mittelpunkt stellen. Auch diese Entwicklung zeigt, dass die agile Idee trotz der 20 Jahre immer noch aktuell ist.