30 Jahre Blizzard Entertainment: Von grünen Orks und verlorener Innovationskraft

Blizzard Entertainment ist bekannt für Warcraft, Diablo und natürlich World of Warcraft. Was ist aus dem perfektionistischen Spielestudio von damals geworden?

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Warcraft zählt zur wichtigsten Spieleserie von Blizzard Entertainment.

(Bild: Blizzard)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Vor rund 30 Jahren legten drei engagierte Uniabsolventen den Grundstein für eines der bedeutsamsten Spieleentwicklerstudios unserer Zeit – Blizzard Entertainment. Titel wie Warcraft, Starcraft und Diablo prägten mehrere Generationen von Spielern – und gleichsam ganze Genres.

In den 90ern war Blizzard eine von vielen Nerds und Spielefreaks vergötterte Firma, umgeben von der Aura der Perfektion – es gab nur wenige Spieleentwickler, die sich damals mit Blizzard messen konnten. Doch auf dem Weg zum heutigen Milliardenunternehmen wurde Blizzards Aura schwächer und schwächer – das Unternehmen scheffelte viel Geld, verlor aber Innovationskraft und das einst blinde Vertrauen der Community ging verloren.

In den ersten Jahren hielten sich die Gründer Allen Adham, Michael Morhaime und Frank Pearce zunächst mit Portierungen schon bestehender Spiele über Wasser – damals noch unter dem Gründungsnamen Silicon & Synapse. Das witzige Jump-n-Run The Lost Vikings war einer der ersten Erfolge, mit dem sich Morhaime und Co. einen Namen machten.

Doch der Firmenname sorgte für Verwirrung – während mit "Silicon" die Bausteine eines Computers (Siliziumchips) gemeint waren, verwechselten es zu viele mit "Silicone", dem Baustein für Brustimplantate. So drängte Adham auf eine Umbenennung und aus Silicon & Synapse wurden die "Chaos Studios", die wiederum nie ein Spiel veröffentlichten und sich nach Streitigkeiten um das Namensrecht schließlich am 24. Mai 1994 in Blizzard Entertainment umbenannten. Wie dieser Name zustande kam? Nunja, Berichten zufolge blätterte Adham schlicht im Wörterbuch und suchte nach cool klingenden Begriffen. Gekommen ist er offenbar nur bis zum Buchstaben B.

Der Durchbruch gelang dem Studio mit dem Echtzeitstrategiespiel Warcraft: Orcs and Humans, das ziemlich genau sechs Monate nach der Umbenennung veröffentlicht wurde. Blizzard ließ sich hinsichtlich des Gameplays von Dune 2 (1992) inspirieren, verfeinerte es jedoch an vielen Stellen und stülpte ein Fantasy-Szenario über, das den Kampf zwischen Orks und Menschen zum Thema hatte.

Eine typische Szene aus Warcraft 2: Grunzer überrennen eine menschliche Siedlung. Gut zu erkennen: Der Nebel des Krieges.

(Bild: Blizzard)

Während Warcraft Erfolge feierte und die Entwickler schon am Nachfolger arbeiteten, zog am Horizont das nächste große Projekt des Dune-2-Entwicklers und Konkurrenten Westwood Studios auf – deren "Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt" schlug im August 1995 ein wie eine Bombe und setzte Standards für das Echtzeitstrategie-Genre. Westwood brillierte mit einer eingängigen Steuerung, einer coolen Story, hochwertigen Zwischensequenzen und spannenden Missionen. Blizzard musste also liefern und stemmte sich mit Warcraft 2: Tides of Darkness im Dezember 1995 gegen Westwoods Strategie-Meisterwerk.

Und tatsächlich, Warcraft 2 spielte sich ähnlich gut wie Command and Conquer, bot auch hochwertige Zwischensequenzen und das alles im Fantasy-Setting. Ein neuer "Nebel des Krieges" verdeckte bereits erkundete Gebiete erneut, sofern dort keine eigene Einheit mehr stand und ist seither bei Echtzeitstrategiespielen nicht mehr wegzudenken. Warcraft 2 band eine eigene, große Anhängerschaft und war der Gegenpol zum militärisch-modernen C&C. Ein Leveleditor sorgte für einen konstanten Zuwachs an neuen Leveln aus der Community und hielt das Spiel lange interessant.

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Blizzard feierte fortan viele weitere erfolgreiche Jahre – Diablo (1996) erschuf ein neues Genre der Action-Rollenspiele, Starcraft (1998) brachte Echtzeitstrategie ins Universum, Diablo II (2000) erweiterte die Mehrspieler-Funktionen via Battle.net und Warcraft III (2002) führte Helden als zentrale Einheiten ein und legte mit dem mächtigen Spieleditor den Grundstein für zahlreiche Mods, die das Spielprinzip komplett umkrempelten (etwa Dota). Der einstige Konkurrent Westwood konnte damals nicht gegenhalten – weder der Diablo-Klon Nox noch die letzten Teile von Command & Conquer waren den Blizzard-Titeln gewachsen, die mittlerweile dank Battle.net-Anbindung allesamt auch eine riesige Mehrspieler-Fangemeinde aufbauen konnten. Selbst das nun fast zwanzig Jahre alte Warcraft III spielt noch heute in vielen Mehrspieler-Turnieren eine wichtige Rolle.

Im November 2004 – genau zehn Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Warcraft-Spiels – brachte Blizzard das MMORPG World of Warcraft heraus und traf damit den Nerv der Zeit. Tausende Spieler kamen gleichzeitig auf Online-Servern zusammen, zu deren Zutritt sie neben dem Spielepreis auch noch eine monatliche Abogebühr entrichten mussten. Das Konzept ging aufgrund der liebevoll gestalteten Spielwelt und dem belohnenden Gefühl des Miteinanders auf – schon nach vier Monaten hatte World of Warcraft rund 1,5 Millionen zahlende Abonnenten, keine vier Jahre später schon über 10 Millionen. Auch die vergleichsweise niedrigen Hardwareanforderungen waren ein Schlüssel zum Erfolg – selbst auf günstigen Notebooks mit 56K-Internetanbindung wurde man in Azeroth glücklich.

WoW Classic (11 Bilder)

Schon beim klassischen Login-Bildschirm kommen bei vielen WoW-Veteranen die Erinnerungen hoch.

World of Warcraft wurde zu Blizzards sprudelnder Geldquelle, sorgte allerdings auch für harsche Kritik. Wer es in Blizzards Fantasy-Welt zu etwas bringen wollte, musste richtig viel Zeit investieren und mit Gilden auf strikt terminierte Jagdzüge (Raids) gehen – viele Bosse waren nur gemeinsam zu erlegen. Ausgerechnet von denen bekam man die beste Beute (Loot), aber auch nicht immer. Man musste also wieder und wieder und wieder ran. Manche Spieler konnten sich dieser Druck-Spirale nicht entziehen und brachten es zwar in World of Warcraft zu glorreichen Helden, verloren aber im echten Leben die Bodenhaftung – Schule, Freunde, Studium und Jobs blieben auf der Strecke. World of Warcraft fachte folglich die Diskussion um Computerspiele-Sucht erneut an. Schwedische Suchthelfer bezeichneten World of Warcraft etwa als "das Kokain der Computerspielewelt".

Blizzard "reagierte" mit immer neuen Erweiterungen – etwa mit dem enorm erfolgreichen Wrath of the Lich King, das im November 2008 als erster Titel unter dem fusionierten Activision Blizzard veröffentlicht wurde. Blizzard wurde zwar Namensbestandteil des aus Activison und Vivendi Universal Games fusionierten Konzerns, bleibt aber als Blizzard Entertainment dennoch weiterhin ein eigenständiges Entwicklerstudio.

Mit Starcraft 2 (2010) und Diablo 3 (2012) kamen schließlich noch zwei klassische Spiele-Fortsetzungen auf den Markt – Ersteres heimste viel Lob ein und kam auch in der Community gut an, Letzteres sorgte anfangs aufgrund von anfänglichen Serverproblemen, unausgewogenem Balancing und eines kontroversen Ingame-Stores für Ärger. Doch der Spielemarkt wandelte sich, das große Geld wird nicht mehr mit Vollpreisspielen oder Abomodellen verdient, sondern mit Ingame-Käufen bei Free-to-Play-Spielen.

Auch Blizzard wollte ein Stück dieses Kuchens abhaben und brachte schließlich das Online-Sammelkartenspiel Hearthstone (2014) heraus, was auch auf Smartphones und Tablets läuft, sowie den Dota-2-Konkurrenten Heroes of the Storm, das sich ebenfalls durch Mikrotransaktionen finanziert. In den Vollpreis-Taktikshooter Overwatch (2016) integrierte Blizzard schließlich ebenfalls Mikrotransaktionen, wenn auch behutsam. Das sorgte für Ärger – und so stufte etwa Belgien unter anderem Overwatch als illegales Glücksspiel ein. 2018 verließ schließlich auch Mitgründer Morhaime das Unternehmen und übergab den Stab an den ehemaligen WoW-Producer J. Allen Brack – der wurde allerdings nur "President", der CEO-Posten fiel weg.

Overwatch (11 Bilder)

Von nepalesischen Tempeln über japanische Gärten bis zu den Straßen von Los Angeles reichen die gut gebauten Level.

Seit der Veröffentlichung von Overwatch hat Blizzard nur noch Aufgewärmtes serviert, etwa weitere WoW-Erweiterungen oder Remastered-Editionen von Starcraft und Warcraft III (Reforged). Besonders Letzteres stand aufgrund technischer Mängel und einer lieblosen Umsetzung in der Kritik und zählt zufolge der Metacritic-Nutzerbewertungen zu den schlechtesten Spielen aller Zeiten – Blizzards Image einer perfektionistischen Spieleschmiede, die "damals"auch mal ganze Projekte aus Qualitätsmängeln sterben ließ (Warcraft-Adventure, Starcraft Ghost), verblasste.

Warcraft-3-Grafikvergleich: Reforged vs. Classic (8 Bilder)

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Der Name Blizzard tauchte in den letzten Jahren häufig häufiger im Rahmen von Kritik denn toller Spiele auf. So ging es etwa um Stellenstreichungen auf Druck von Activision und Gehälter auf Mindestlohnniveau. Mitarbeiter tauschten sich laut Bloomberg schon 2018 in internen Nachrichten über die Sparmaßnahmen aus. Ein Mitarbeiter habe darin zum Beispiel beschrieben, dass er sich das Kantinenessen nicht regelmäßig leisten könne und deswegen auf das Mittagessen mit seinem Team verzichten muss. Und als ob das nicht reicht, wurde Blizzard auf der Hausmesse Blizzcon von den eigenen Fans ausgebuht – diese hatten felsenfest mit der Ankündigung von Diablo 4 gerechnet, bekamen aber nur ein Handy-Spiel. Mit der Entgegnung "Habt ihr Leute kein Handy" reagierten die vortragenden Blizzard-Mitarbeiter außerdem äußerst unsensibel auf die eigentlich treue Fan-Schar.

2019 warf Blizzard einen E-Sportler aus Hong Kong aus einem Turnier, entzog ihm zunächst sein Preisgeld und sprach eine einjährige Sperre aus, nachdem er sich in einem Live-Stream auf die Seite der Hongkong-Protestler schlug. Eine dem massiven Sturm der Entrüstung folgende Entschuldigung nahmen viele Fans selbst dem Firmenchef nicht ab, selbst von hochrangigen US-Politikern musste sich Blizzard heftige Kritik gefallen lassen.

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Das Image von Blizzard Entertainment hat über die Jahre also stark gelitten. Fans hat die Firma aber noch mehr als genug – weiterhin begeistern World of Warcraft, Overwatch und Diablo Millionen von Spielern. Sehr viele freuen sich auf Diablo 4, das Ende 2019 angekündigt wurde und über das sich Fans auf der diesjährigen Blizzcon, die vom 19. bis 20. Februar rein virtuell stattfindet, neue Infos und möglicherweise sogar ein Erscheinungsjahr erhoffen.

Fest steht: Mit Diablo 4 kann Blizzard zeigen, ob es sich wieder auf die alten perfektionistischen Tugenden besinnt und ein liebevolles Spiel mit eingängiger Spielmechanik auf seine Fans loslässt oder schlicht seinen Ruf als Gaming-Konzern, der seine Wurzeln vergessen hat, zementiert.

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(mfi)