TKG-Novelle & Co.: Bundesregierung verteidigt kurze Fristen zur Stellungnahme

Die Vorgabe weniger Stunden zum Begutachten der Entwürfe zur TKG-Reform und fürs IT-Sicherheitsgesetz 2.0 soll eine Ausnahme gewesen sein, doch die häuft sich.

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(Bild: EFKS/Shutterstock.com)

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Anfang Dezember hatten die Ministerien für Inneres, Verkehr und digitale Infrastruktur sowie Wirtschaft Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen mit sehr knappen Fristen mit teils nur 28 Stunden für die Abgabe von Stellungnahmen zu den geplanten Novellen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und des IT-Sicherheitsgesetzes vergrätzt. Die Bundesregierung rechtfertigt ihr Vorgehen nun damit, dass es sich um "Ausnahmefälle" gehandelt habe.

Die kurzen Zeitspannen bei den jeweils mehrere hundert Seiten umfassenden Entwürfen seien "der Eilbedürftigkeit der Gesetzgebungsvorhaben geschuldet" gewesen, schreibt das Innenressort in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Aussagen beißen sich mit der Tatsache, dass es etwa auch bei der geplanten Pkw-Ausländermaut 2017 und einem Entwurf zum Kohleausstieg zwei Jahre später zu massiven Beschwerden von Verbänden gekommen war.

Die beiden derzeit laufenden Reformen haben zudem schon eine lange Vorgeschichte. So monierte etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber am Donnerstag, dass die Legislative das TKG und das Telemediengesetz (TMG) "auch nach 1000 Tagen der vollen Anwendbarkeit" der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in ein "Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz" (TTDSG) zu überführen seien. Zeitgleich soll im Rahmen der TKG-Novelle der EU-Kodex für die elektronische Kommunikation in nationales Recht überführt werden. "Dies hätte eigentlich schon zum 21.12.2020 abgeschlossen sein müssen", moniert Kelber. Es sei unklar, ob beide Entwürfe noch vor den Bundestagswahlen im September verabschiedet würden. Sie müssten aber gleichzeitig in Kraft treten, um die Privatsphäre der Nutzer angemessen zu schützen.

Bremsklötze bei der TKG-Reform waren der Streit der Großen Koalition etwa über die Laufzeit von Verträgen und der geplante Wegfall des Nebenkostenprivilegs. Den Entwurf für das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 überfrachtete das Innenministerium anfangs mit Überwachungswünschen, später fiel es den Ressorts schwer, sich auf die vorgesehene Huawei-Klausel zu einigen.

Die knapp bemessenen Fristen hatten Sicherheitsexperten der AG Kritis Ende vorigen Jahres als "ministeriellen Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft" gedeutet. Der IT-Verband Bitkom bezeichnete das Verfahren als "absolut inakzeptabel". 15 Verbände und Vereine, darunter die Gesellschaft für Informatik, der CCC, der eco-Verband der Internetwirtschaft und Transparency International, forderten in einem offenen Brief an die Regierung, "die Verbändebeteiligung als wichtiges Werkzeug demokratischer Teilhabe zukünftig wieder ernsthafter zu verfolgen" und den Partizipationsprozess zu öffnen.

Wie lange die Fristen bei den Beteiligungsverfahren in anderen Fällen gelegen hat, kann die Exekutive bei bisher über 715 Gesetzesvorhaben in den vergangenen dreieinhalb Jahren nicht sagen: "Allein das Heraussuchen der die aktuelle Legislaturperiode betreffenden Aktenbestandteile hätte mehrere Beschäftigte gebunden, die anschließende Durchsicht ebenfalls und wäre in Anbetracht des Umfangs nicht zu realisieren."

Erklärtes Ziel der Bundesregierung sei es, die frühe Beteiligung Betroffener im Rechtsetzungsprozess zu stärken, ist der Antwort zu entnehmen. Allerdings werden Gesetzesentwürfe auf den Webseiten der Ressorts und zugehörige Stellungnahmen von Verbänden oft spät und frühe Papiere auf Referentenebene vielfach gar nicht veröffentlicht.

Schwarz-Rot plant seit Langem eine "einheitliche IT-Lösung" für die Bundesregierung, über die zentral eine Online-Beteiligung erfolgen können soll. Daraus werde aber frühestens 2023 etwas, heißt es nun. Um die Maßnahme vorzubereiten, müsse zunächst ein "sinnvoller Funktionsumfang" untersucht werden. Dann könnten die Grundlagen für die Plattform erarbeitet und Anwendungsfälle abgesteckt werden. 2022 solle dazu "die Evaluation erfolgen und ein Konzept erstellt werden". Erst dann sei die Zeit reif, um eine Entscheidungsvorlage für eine Beschaffung im Jahr danach zu erstellen.

Im September habe man aber eine zentrale Webseite geschaffen, die frühe Beteiligungen auf Bundesebene bündele, unterstreicht die Exekutive. Der Aufbau sei vergleichbar zu dem Portal, das auf die Länder- und Verbändebeteiligung bei Gesetzesvorhaben der Ministerien verweise. Beide Informationsangebote würden "fortlaufend verbessert".

Um die vielfach geforderten Synopsen zwischen überarbeiteten, teils nach wenigen Tagen erneut verschickten Gesetzesfassungen zu erstellen, fehlt laut der Antwort die Zeit: Die Ressorts hätten "oft selbst nur sehr knappe Fristen für die Erstellung oft komplexer Entwürfe".

Die plötzliche Eile bei den Gesetzgebungsverfahren sei "komplett selbst verschuldet und der entstandene Zeitdruck unfairerweise an die Verbände weitergegeben worden", kritisiert die Expertin für Netzpolitik der Grünen, Tabea Rößner, die "hanebüchene Ausrede" der Regierung. Deren "schöne Selbstverpflichtungen" auf mehr Transparenz und Partizipation seien "vor diesem Hintergrund nicht mehr als potemkinsche Dörfer und am Ende ein Armutszeugnis für unsere Demokratie". Dass das zentrale Beteiligungsportal noch Jahre auf sich warten lasse, zeige erneut, dass der Einbezug externen Sachverstands bei der Exekutive "ganz unten auf der Prioritätenliste" stehe.

(olb)