Neue Erkenntnisse zu Cygnus X-1
Das Schwarze Loch an dem Röntgendoppelsternsystem ist deutlich größer als bislang angenommen.
(Bild: International Centre for Radio Astronomy Research)
Am Anfang der Überlegungen stand Einstein: Er hat die Existenz von Schwarzen Löchern erstmalig vorhergesagt, als er 1916 seine allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte. Darin beschreibt er, wie Schwerkraft die Materie der Raumzeit formt. Doch erst 1964 entdeckten Astronomen zum ersten Mal ein tatsächliches Schwarzes Loch, etwa 6070 Lichtjahre entfernt und innerhalb der Cygnus-Konstellation. In den Weltraum geschickte Geigerzähler erfassten kosmische Röntgenstrahlen, die aus einer Region namens Cygnus X-1 stammen.
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Mittlerweile ist bekannt, dass diese kosmischen Strahlungen von Schwarzen Löchern produziert werden. Zum damaligen Zeitpunkt waren Wissenschaftler sich über ihren Ursprung uneinig: Stephen Hawking wettete bekanntermaßen gegen den Physiker Kip Thorne und behauptete, dass das Signal von keinem Schwarzen Loch stammen würde, doch 1990 musste er sich korrigieren.
Nun sind 57 Jahre vergangen und Forscher haben herausgefunden, dass besagtes Schwarzes Loch bei Cygnus X-1 sehr viel massenreicher ist als zunächst geglaubt – man muss also neu darüber nachdenken, wie Schwarze Löcher sich formieren und entwickeln. Diesmal stammen die Beobachtungen von der Erdoberfläche.
121 Sonnenmassen
"Zu einem gewissen Grad waren die Ergebnisse zufällig", sagt James Miller-Jones vom International Centre for Radio Astronomy Research an der Curtin University in Australien und Hauptautor einer in "Science" erschienenen Studie. "Es war ursprünglich nicht unser Plan, die Entfernung und die Masse des Schwarzen Lochs erneut zu messen, aber als wir unsere Daten analysiert haben, erkannten wir das ganze Potential darin." Bei Schwarzen Löchern handelt es sich um Objekte, die so massereich sind, dass noch nicht mal Licht, geschweige denn physische Materie, ihrer einnehmenden Schwerkraft entkommen kann. Doch manchmal spuckt eines von ihnen unerklärliche Strahlungen und ionisierte Materie ins All.
Miller-Jones und sein Team wollten herausfinden, wie Materie von Schwarzen Löchern angezogen und abgestoßen wird, also schauten sie sich Cygnus X-1 genauer an. Sie beobachteten das Schwarze Loch über einen Zeitraum von sechs Tagen und nutzten dafür das Very Long Baseline Array, ein Netzwerk von 10 Radiointerferometern, die in ganz Nordamerika verteilt sind, von Hawaii bis zu den Virgin Islands. Die Auflösung ist vergleichbar mit einer, die ein 10 Zentimeter großes Objekt auf dem Mond erkennen könnte, und es ist dieselbe Technik, die das Event Horizon Telescope nutzte, um ein erstes Bild von einem Schwarzen Loch zu gewinnen.
Mit einer Kombination aus Messungen, darunter Strahlung und Temperaturen, konnte das Team die genauen Umlaufbahnen von sowohl dem Schwarzem Loch bei Cygnus X-1 als auch dem Riesenstern HDE 226868 modellieren (beide Objekte umkreisen einander). Mit dem Wissen um die jeweiligen Umlaufbahnen der Objekte war es den Forschern möglich, deren Massen zu extrapolieren – im Falle des Schwarzen Lochs kamen sie auf 21 Sonnenmassen: Das entspricht etwa 50 Prozent mehr als zuvor vermutet.
Wie stark ist Sternwind?
Die Masse Schwarzer Löcher hängt von einigen Faktoren ab, insbesondere von der Größe des Sterns, der ins Schwarze Loch eingestürzt ist und die Menge an Masse, die in Form von Sternwind erodiert wird. Heißere und hellere Sterne produzieren tendenziell vermehrt volatilen Sternwind, und in der Regel sind sie auch massereicher. Je massereicher ein Stern also ist, umso anfälliger ist er dafür, vor und während seines Zusammenbruchs Masse zu verlieren. Dadurch wird ein Schwarzes Loch leichter.
Doch allgemein hielten Wissenschaftler Sternenwind in der Milchstraße für stark genug, um die Fülle Schwarzer Löcher auf mindestens 15 Sonnenmassen zu begrenzen, unabhängig davon, wie groß ein Stern ursprünglich war. Die neuen Erkenntnisse kippen diese Schätzungen allerdings deutlich. "Da wir ein Schwarzes Loch gefunden haben, das signifikant massereicher war als dieses Limit uns vorgegeben hätte, müssen wir unsere Modelle überarbeiten und uns fragen, wie viel Masse die größten Sterne in ihrer Lebensdauer an Sternwind verlieren", sagt Miller-Jones. Das könnte bedeuten, dass die Sternwinde, die durch die Milchstraße strömen, weniger mächtig sind als bislang angenommen oder dass Sterne auf andere Weise Masse verlieren. Es könnte aber auch bedeuten, dass Schwarze Löcher sich auf sehr viel unberechenbarere Weise verhalten als geahnt.
Das Forschungsteam will Cygnus X-1 weiter beobachten. Andere Instrumente, wie beispielsweise der geplante Square Kilometre Array in Australien und Südafrika, könnten bessere Aussichten auf diese oder andere nahe gelegene Schwarze Löcher bieten. In der Milchstraße könnte es irgendwas zwischen 10 Millionen bis einer Milliarde Schwarze Löcher geben. Wenigstens einige davon zu untersuchen könnte helfen, das Mysterium zu lösen.
(bsc)