Menschliches Gehirn als Vorbild für neuen NASA-Prozessor

Ein von NASA-Forschern entwickelter Prozessor, der ähnlich arbeitet wie das menschliche Gehirn, könnte Maschinen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit ermöglichen.

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Von
  • Andreas Grote

Ein von NASA-Forschern am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (JPL) entwickelter Prozessor, der ähnlich arbeitet wie das menschliche Gehirn, könnte Maschinen in Zukunft durch künstliche Intelligenz eine größere Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Der kompakte Prozessor ist an die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns angelehnt, dessen enorme Leistungsfähigkeit auf der komplexen Vernetzung zwischen den einzelnen Gehirnzellen über die Synapsen beruht. Über diese Netzwerke, auch Neuronen genannt, sind Menschen in der Lage, schnell Entscheidungen auf Grund eines wahrgenommenen Bildes oder einer Szene zu treffen. Der dreidimensionale, auf einem künstlichen neuronalen Netz beruhende Prozessor soll nun ebenso in der Lage sein, Objekte in Echtzeit und auch vor stark bewegtem Hintergrund zu erkennen.

Zwei Technologien helfen dem Chip bei den angestrebten Einsatzzwecken. Zum sollen die am JPL entwickelten, hochgradig miteinander vernetzten künstlichen Neuronen auf einem Mikrochip, die mit nur wenig Energie auskommen, in ihrer Funktion das Gehirn nachahmen. Die zweite Technologie, entwickelt von der Irvine Sensors Corporation im kalifornischen Costa Mesa, ermöglicht das dreidimensionale Übereinanderstapeln dieser Chips, sodass der fertige Prozessor einem Stück Würfelzucker ähnelt.

In dieser Zusammenstellung erreicht der Prozessor eine Geschwindigkeit von mehr als einer Billion Berechnungen pro Sekunde bei einer Leistungsaufnahme von nur acht Watt und ist damit tausend mal schneller als ein herkömmlicher Desktop-PC, der hundert Watt an Energie verbraucht. Eigenschaften wie geringe Stromaufnahme, Leichtigkeit und sehr kompakte Bauweise sind Voraussetzungen, um solche Bauteile in der Raumfahrt einsetzen zu können.

Die Entwickler sehen Möglichkeiten, den Prozessor in der öffentlichen Sicherheit einzusetzen, wo Bildszenen schnell auf bestimmte Personen oder Aktionen analysiert werden müssen. Auch sei die Entwicklung eines PCs denkbar, der anhand des Gesichtsausdrucks seines Benutzers auf dessen Laune entsprechend reagieren könne. Und für die Videospiel-Industrie rechnen sich die Entwickler neue interaktive Anwendungen aus. Letztendlich darf auch das Militär nicht fehlen, dem der Prozessor neue Möglichkeiten bei der Zielerfassung ermögliche.

Für die NASA bringt der Prozessor dagegen andere Vorteile, denn mit seiner Hilfe wären Maschinen in der Lage, unabhängig und schnell darauf zu reagieren, was sie sehen. Ein Weltraumfahrzeug wie auf der Pathfinder-Mission zum Mars wäre dann selbstständig in der Lage, Kollisionen mit Felsbrocken zu vermeiden, ohne dass die Bodenstation eingreifen muss. Auch die mit dem wissenschaftlichen Ziel der Mission vereinbare automatische Selektion von interessanten Dingen auf der Oberfläche und das eigenständige Anfahren solcher Objektes wäre so möglich, ohne dass zeitverzögerte Steuerkommandos von der Erde empfangen werden müssten.

Auf künstliche Intelligenz setzt die NASA aber auch in anderen Bereichen. Bereits im Mai kündigte die Weltraumorganisation an, dass sie für 2002 eine Steuerungssoftware einsetzen will, die auf künstlicher Intelligenz beruht. Das Continuous Activity Scheduling, Planning Execution and Replanning Program (CASPAR) wertet die Daten aus, die von an einer Sonde befindlichen Sensoren und Kameras geliefert werden, und soll selbstständig zu Entscheidungen über den weiteren Verlauf der Mission kommen. (Andreas Grote/wst) / (jk)