Neue Waffe in der Kriegsberichterstattung
CNN setzt bei der Berichterstattung aus Afghanistan seine neuen Videophones ein; ein Experte kritisiert gleichzeitig die Medien fĂĽr ungenaue Berichte und veraltete Technik.
Im Zuge der Angriffe der USA gegen das Taliban-Regime in Afghanistan wenden nicht nur die US-Befehlshaber – angeblich nach dem Motto "Bomben und Brot" – eine neue Taktik an. Auch CNN, spätestens seit Golfkriegs-Tagen der globale Nachrichtensender schlechthin, nutzt neueste Technik, um seine Zuschauer bei der Stange zu halten: Zum Einsatz kommen derzeit vor allem so genannte Videophones, die, nur vier Kilogramm schwer und daher leicht zu transportieren, nahezu überall betrieben werden können. Eines dieser Hightech-Bildtelefone steht beispielsweise seit Tagen auf einem Berg rund 60 Kilometer nördlich von Kabul und versorgt die Öffentlichkeit allabendlich mit Live-Bildern von den Ereignissen rund um die afghanische Hauptstadt. Richtig bekannt wurden die neuen CNN-Videophones zuerst durch die Berichterstattung während der Attacken gegen das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, die letztlich der Auslöser für die jetzigen Geschehnisse in Afghanistan waren.
Angedockt an ein Satelliten-Telefon werden von der Videophone-Kamera Bilddaten mit einer Durchsatzrate von bis zu 128 kBit/s zunächst über einen geostationären Satelliten in 37.000 Kilometer Höhe über der Erde zur CNN-Bodenstation und schließlich auf den heimischen Bildschirm geschickt – das alles mit einer Latenzzeit von Sekunden. Betreut wird das Videophone von einem einzigen Reporter, der neben der Verantwortung für das Bildmaterial meist gleichzeitig auch für Text und Ton zuständig ist. Die britische Firma 7E Communications, die neben CNN auch Fernsehsender wie BBC, FOX und ABC sowie die Nachrichtenagentur AP mit Videophones versorgt, ist überzeugt, dass sich ihr Produkt schon allein wegen des Prinzips der "One-Man-Show" weiterhin glänzend verkaufen lässt.
Zwar entspricht das übermittelte Bildmaterial insbesondere bei Nachtaufnahmen wegen der niedrigen Übertragungs-Bandbreite nicht unbedingt den Ansprüchen verwöhnter Fernsehzuschauer-Augen, doch darum ging es den CNN-Bossen nach eigenem Bekunden bei der Anschaffung des jeweils knapp 40.000 Mark teuren Equipments auch gar nicht: Für sie zählt neben der Tatsache, überhaupt aus einer der unzugänglichsten Regionen der Erde berichten zu können, vor allem der Zeitvorsprung, der durch den einfachen Transport der Übertragungstechnik herausspringt. "Während die anderen noch ihre Kabel zusammenstecken, sind wir schon längst auf Live-Sendung", beschreibt ein CNN-Reporter die Lage.
In Deutschland sind Bildtelefone momentan hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Aufbau der dritten (terrestrischen) Mobilfunkgeneration im Gespräch: Das Verschicken von Live-Bildern in Echtzeit soll zentraler Punkt in der Marketing-Strategie der hochverschuldeten UMTS-Lizenznehmer werden. Der japanische Mobilfunkanbieter NTT DoCoMo hat in Tokio unterdessen den Traum vom virtuellen Vier-Augen-Gespräch per Handy schon wahr gemacht. Unter dem Namen FOMA (Freedom of Mobile Multimedia Access) können Abonnenten, die sich in einem 30-Kilometer-Radius rund um das Zentrum der japanischen Hauptstadt aufhalten, seit Anfang des Monats im Internet surfen, E-Mails empfangen und bewegte Bilder von ihren Gesprächspartnern sehen.
Der Medienforscher Friedrich Krotz übrigens dürfte die neue Technik bei CNN begrüßen: Krotz forderte die internationalen Medien auf, die neuen Techniken besser zu nutzen und nicht "mit Methoden wie im Krimkrieg" zu arbeiten. "Wir erfahren immer über exakte Satellitenaufzeichnungen der US-Militärs – warum ist es nicht möglich, dass die großen Medien sich zusammentun und ebenfalls einen Satelliten einsetzen? Dieses Interesse haben sie gemeinsam", sagte Krotz, der als Experte für Kriegsberichterstattung gilt, gegenüber dpa. Gleichzeitig forderte er aber auch ein, dass bei der Berichterstattung über die Militärschläge der USA und die Reaktionen die Medien grundsätzlich die genaue Quelle ihrer Informationen nennen sollten. "Der Krieg wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Hilfe der Medien geführt", betonte Krotz, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster.
Krotz verwies unter anderem auf jüngste Fernsehbilder vom Abwurf der Nahrungsmittel- und Medikamentenhilfe der USA über Afghanistan. "Am Montagabend wurde in mehreren Sendern ein von der US-Armee gedrehtes Video gezeigt", sagte er. Während etwa die ARD klar darauf hingewiesen habe, woher der Film stamme, sei in manchen Sendern ohne Hinweis "nahtlos ein Video übernommen (worden), das die amerikanische Armee gern unter die Leute gebracht hätte". Medien müssten in solchen Fällen klar darauf hinweisen, dass nicht eindeutig überprüfbar sei, ob die gezeigte Darstellung zutreffe.
Vor diesem Hintergrund sprach sich Krotz für ein internationales Netzwerk seriöser Berichterstatter aus. "Es gibt in allen Teilen der Welt gute und unabhängige Journalisten", gab der Medienexperte zu bedenken. Die internationale Bewertung des Konfliktes komme in vielen deutschen Medien zu kurz. "In den Medien muss eine Diskussion und umfassende Information möglich sein", betonte Krotz. "Alles andere macht den Menschen Angst." (pmz)