Tumult um MP3-Lizenzbedingungen

Eine angebliche Lizenzänderung für MP3-Decoder erhitzt die Gemüter.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Volker Zota

Seit den Morgenstunden gingen bei heise online vermehrt Unmutsbekundungen über eine angebliche MP3-Lizenzänderung ein: Nach einem Posting auf Slashdot soll Thomson Multimedia, exklusiver Lizenzgeber für MP3, einen Passus aus den Lizenzbedingungen gestrichen haben, nach dem für nicht kommerzielle, freie MP3-Decoder keine Lizenzgebühren fällig wären.

Verwiesen wird dabei auf die offizielle Gebührenliste, nach der pro MP3-Decoder 75 US-Cent oder eine einmalige Zahlung von 60.000 US-Dollar (für Patent und Software; 50.000 US-Dollar nur für das Patent) fällig sind. Tatsächlich gilt diese Regelung bereits seit gut anderthalb Jahren. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich nicht nur das Webdesign von MP3licensing.com, sondern im Zuge des damals neuen MP3Pro wurden auch die Lizenzbedingungen angepasst. Ein entscheidender Passus verschwand damals ebenfalls: "No license fee is expected for desktop software mp3 decoders/players that are distributed free-of-charge via the Internet for personal use of end-users". Diesen Zusammenhang bestätigte auch eine Nachfrage von heise online beim Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen (IIS) und beim MP3Pro-Entwickler Coding Technologies -- der Tumult kommt also zumindest mit erheblicher Verspätung.

Angesichts der Tatsache, dass Thomson Multimedia seitdem keinerlei rechtliche Schritte gegen Entwickler und Verbreiter nicht kommerzieller MP3-Decoder unternommen hat, braucht man sich allerdings um die Zukunft freier MP3-Decoder wohl keine Sorgen zu machen. Sonderlich sinnvoll wäre ein hartes Durchgreifen seitens Thomson ohnehin nicht: Bei Freeware- und Open-Source-Entwicklern, die einen eigenen MP3-Decoder entwickelt haben, dürfte sich kaum Geld eintreiben lassen. Dies wird wohl auch der Grund sein, warum die Lizenz-Verwalter bislang von entsprechenden Maßnahmen absahen.

Anders stellt sich die Situation möglicherweise bei Encodern zur Erstellung von MP3-Dateien dar: Hier bestehen sowohl das Fraunhofer Institut als auch Thomson in der Regel auf der Einhaltung der Lizenzbestimmungen, jedoch gibt es auch hier Open-Source-Pakete wie lame (die selbstreferenzielle Auflösung des Akronyms in LAME Ain't a MP3-Encoder dürfte im Zweifelsfall kaum helfen). Darüber hinaus steht nicht zu befürchten, dass beliebte Player wie Winamp oder die Musicmatch Jukebox demnächst kostenlos nur noch ohne MP3-Decoder ausgeliefert werden: Nullsoft wie auch Musicmatch zählen zu den offiziellen Lizenznehmern von MP3(Pro), im Falle von Musicmatch gilt dies auch für den integrierten Encoder.

Lizenzänderung hin oder her, hoch erfreut zeigte sich Emmett Plant, seines Zeichens CEO der Xiph.org Foundation. In einem offenen Brief bedankt er sich bei Thomson Multimedia. "Danke für die enorme kostenlose Werbung, die wir nach der Bekanntgabe der veränderten Lizenzbedingungen erfahren haben", so Emmett. Der Brief schließt mit den Worten: "Wir unterstützen sämtliche Aktionen, mit denen Thomson verdeutlicht, dass MP3 Geld kostet. Nochmals danke und viel Glück."

Im Unterschied zu MP3 ist das kürzlich in Version 1.0 erschienene Ogg Vorbis (nach Angaben seiner Entwickler) patentfrei und unterliegt der GNU Public License, sodass auch zukünftig keinerlei Lizenzabgaben für das Kompressionverfahren fällig wären. Ganz auf Ogg Vorbis einschießen sollte man sich indes (noch) nicht: Selbst wenn Ogg Vorbis qualitativ zu MP3 aufschließt oder es gar überholt, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis es Ogg-fähige portable Player als Hardware gibt. (vza)