Kopierschutz bei Musik-CDs löst Streit aus

Auch unter den Elektronik-Herstellern sind die Kopierschutz-Techniken, mit denen immer mehr Audio-CDs auf den Markt kommen, heftig umstritten.

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Von
  • Renate Grimming
  • dpa

Seit rund einem halben Jahr kommen Musik-CDs auf den Markt, die sich nur mit Schwierigkeiten am PC kopieren oder einfach gar nicht mehr abspielen lassen. Zum großen Ärger vieler Musikliebhaber laufen die Silberlinge aber zum Teil nicht einmal mehr auf allen normalen Standalone-CD-Playern. Mit ihrem jüngsten Coup zum Schutz von Urheberrechten sorgt die Musikindustrie nicht nur unter ihren Kunden für Unmut. Auch in der Elektronikindustrie wächst leise Kritik. "Mit Besorgnis betrachten wir die derzeitigen Tendenzen, Technologien einzusetzen, die die Wiedergabefähigkeit von CDs limitieren", kommentiert etwa der niederländische Philips-Konzern.

"Es gibt jede Menge Hardware, die mit den Kopierschutzverfahren erhebliche Probleme haben", sagte ein Branchenexperte. Philips sorgt sich nicht nur um den eigenen Ruf, sondern sieht auch Eigentumsrechte verletzt. Gemeinsam mit Sony hatte der niederländische Konzern einst den Audio-CD-Standard eingeführt. "Wenn ich eine solche CD in drei von vier für das Musikabspielen konzipierten Gerätetypen nicht hören kann, dann ist dieses Produkt mangelhaft", sagt Edda Castello von der Hamburger Verbraucherzentrale. "Durch den Einsatz dieser "Wiedergabeverhinderer" ergeben sich klare Nachteile für den Konsumenten sogar schon dann, wenn er Musik nur hören möchte und eine Aufnahme noch nicht einmal in Betracht gezogen hat", stellt auch Philips fest.

Panasonic hat nach eigenen Angaben bislang noch keine Probleme mit den neuen Kopierschutzverfahren festgestellt. Zum Schutz der Urheberrechte sei der Ansatz gut, durch Software-Techniken das Kopieren etwa auf CD-ROM-Laufwerken zu verhindern. Wenn die Musik-CDs künftig allerdings nicht mehr dem CD-Audio-Standard entsprechen, müssten sie im Prinzip vom Markt genommen werden, sagt Lothar Kerestedjan von Panasonic. "Da kann sich der Verbraucher auch vom Gesetz her wehren." Es sei aber auch Sache der Elektronik-Industrie, den Inhalte-Besitzern Sicherheiten zu bieten. "Der Inhalte-Schutz ist bei der Entwicklung neuer Produkte unser Maßstab Nummer eins", sagte Kerestedjan. Wenn immer mehr Geräte auf den Markt kommen, die das ungehinderte Vervielfältigen ermöglichen, stimuliere das auch das Raubkopieren.

Die Musikindustrie beklagt seit Jahren Umsatzausfälle in Milliardenhöhe. Schuld an den rückläufigen Zahlen sollen vor allem die wachsende Verbreitung von CD-Brennern und kostenlose Raubkopien im Internet sein. Nach einer jüngsten Studie des amerikanischen Musikindustrie-Verbandes RIAA haben 23 Prozent der Musikfans im Alter zwischen 12 und 54 Jahren im vergangenen Jahr nicht mehr CDs als zuvor gekauft, weil sie die meisten Lieder kopiert oder aus dem Internet heruntergeladen haben. Mit einem Umsatzrückgang von 10,3 Prozent im Jahr 2001 verzeichnete die Industrie nach Angaben der RIAA das schlechteste Ergebnis seit einem Jahrzehnt.

"Wir stehen voll dahinter, dass die Musikindustrie ihre Urheberrechte schützen muss", sagte Hans-Joachim Kamp, Deutschland-Chef der Sparte Konsumenten-Elektronik bei Philips. "Es gibt aber kein Land, in dem so viele Urheberrechtsabgaben bezogen auf das Gesamtmarktvolumen von den Geräteherstellern bezahlt werden wie in Deutschland", hält Kamp dagegen. Der Abgabenanteil auf einzelne Geräte an die Inhalteanbieter hat sich in den vergangenen zehn Jahren um das Vier- bis Fünffache erhöht.

In der zweiten Hälfte des letzten Jahres wurden nach Angaben des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft (Hamburg) mehr als sechs Millionen kopiergeschützte CDs ausgeliefert. In den USA und Europa sind unterdessen über zehn Millionen Silberlinge allein mit dem Kopierschutz "Cactus Data Shield" des israelischen Herstellers Midbar Tech in den Handel gekommen. Experten wenden ein, dass viele ältere CD-Spieler schon ab einer Lebensdauer von zwei Jahren nicht mehr in der Lage sind, die geschützten Scheiben abzuspielen. Überdies sei damit das legitime Recht der Verbraucher beschnitten, für private Zwecke etwa im Auto eine Kopie seiner CD anzufertigen.

"Das ganze Klagen um Urheberrechtsverletzungen lenkt in meinen Augen von verfehlter Marketingpolitik ab", sagt Kamp. Der Musikindustrie sei es jahrelang hervorragend gegangen, während viele Unternehmen anderer Branchen mit einem schwieriger werdenden Markt kämpfen mussten. Möglicherweise sei Musik angesichts von Handys und Internet einfach nicht mehr so interessant wie noch vor zehn Jahren. (Renate Grimming, dpa) / (jk)