Familienministerin bedauert Kinderporno-Fauxpas mit Indien

Ursula von der Leyen ließ durch einen Sprecher ausrichten, dass die Vorwürfe, in Indien seien Kinderpornos nicht strafbar, auf einer veralteten Übersicht beruhten. Der Vorgang zeige, wie wichtig die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit sei.

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Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat im Streit über die Darstellung Indiens als Kinderporno-Land einen Rückzieher gemacht. Zuvor hatte die Indische Botschaft die wiederholte Einreihung Indiens in eine Reihe von Staaten, die Kinderpornographie nicht ächten, entschieden zurückgewiesen. "Erste Überprüfungen haben ergeben, dass der Hinweis korrekt ist", ließ die CDU-Politikerin durch einen Sprecher gegenüber heise online nun ausrichten. Die Aussagen zu Indien seien einer Übersicht des International Center for Missing and Exploited Children (ICMEC) von 2006 entnommen worden. Es sei "sehr bedauerlich", dass die "jüngste Entwicklung in Indien" in der Quelle noch nicht erfasst gewesen sei.

Die indischen Diplomaten hatten dagegen klar gemacht, dass schon das indische Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung von 1973 mehrere Bestimmungen zur Bestrafung von Kinderpornographie beinhalteten. Im vergangenen Jahr sei mit einer weiteren Gesetzesnovellierung das Betrachten oder das Verbreiten entsprechender Materialien über das Internet zusätzlich kriminalisiert worden. Diese Änderungen bezeichnete das Familienministerium als "sehr erfreulich". Sie zeigten, dass auf dem Subkontinent "der politische Wille zur Bekämpfung des Problems jetzt klar vorhanden ist". Eine UNICEF-Studie von 2004 habe noch festgestellt, "dass die Hälfte aller weltweit für gewerbsmäßige sexuelle Dienstleistungen missbrauchten Kinder aus Indien kommt".

Der Vorgang zeigt für das Ressort von der Leyens ferner, "wie wichtig es ist, die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Kinderpornographie zu stärken". Dazu gehöre auch eine verbesserte Forschung und rechtsvergleichende Studien bezüglich der Gesetzeslage in den einzelnen Ländern, wie sie die vom Familienministerium initiierte Kinderschutzkonferenz Ende Juni in Berlin in ihrer Abschlusserklärung gefordert habe. Aber auch auf die "Umsetzungspraxis", also Maßnahmen zur tatsächlichen Verfolgung kinderpornographischer Straftaten, müsse international Wert gelegt werden.

Von der Leyen hatte zuvor auf der Konferenz sowie vergangene Woche erneut im MDR-Radiosender Sputnik (MP3-Datei) Indien als Land bezeichnet, das "keinerlei Form von Ächtung von Kinderpornographie" habe. Damals waren dem Ministerium bereits Recherchen bekannt, wonach die ICMEC-Angaben mit größter Vorsicht zu genießen sind.

Auch die von der Familienministerin und dem Bundeskriminalamt (BKA) immer wieder in der Debatte um den Aufbau einer Zensurinfrastruktur zur Bekämpfung von Kinderpornos bemühten Theorie, dass das Betrachten einschlägiger Bilder potenzielle Kinderschänder "anfixe", scheint im Lichte neuer Schweizer Forschungsergebnisse nicht haltbar. Laut einer aktuellen Studie des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Kanton Zürichs vergehen sich Männer, die sich Kinderpornographie anschauen, nur äußerst selten allein aus diesem Grund tatsächlich an Kindern. Ursachen für das Betrachten entsprechenden Materials seien vielmehr "Langeweile" oder der "Reiz des Verbotenen", erläuterte Untersuchungsleiter Frank Urbaniok laut Agenturmeldungen.

Für die Analyse werteten die Forscher die Strafregistereinträge von 231 Männern aus, die der Schweizer Polizei bei der Großaktion "Genesis" gegen Kinderpornographie 2002 ins Netz gegangen waren. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin BMC Psychiatry berichten, scheint der Konsum von Kinderpornos kein Risikofaktor für sexuelle Gewalttaten zu sein. Nur ein Prozent der Männer hatte eine Vorstrafe wegen eines sexuellen Übergriffs und in der Zeit zwischen 2002 und 2008 ließ sich keiner der Ertappten ein solches Vergehen zu Schulden kommen. Bei Pädophilen, die Kinder missbrauchten, handelt es sich gemäß der Studie dagegen um eine ganz andere Gruppe von Straftätern.

In Neuseeland wird unterdessen Kritik laut an "freiwilligen" Tests für das Einrichten netzseitiger Filter gegen kinderpornographische Webseiten, die das federführende dortige Innenministerium mit einer Reihe national tätiger Telekommunikationsanbieter wie Ihug, Watchdog, Maxnet, TelstraClear oder Vodafone ohne öffentliche Bekanntgabe durchführt. Ans Licht gebracht hat die Bemühungen der Blogger Thomas Beagle durch Auskunftsbegehren auf Basis des neuseeländischen Informationsfreiheitsgesetzes.

Die Zensurinfrastruktur setzt demnach auf die Software Netclean Whitebox eines schwedischen Anbieters. Die im Verborgenen gehaltene Sperrliste, die angeblich derzeit rund 7000 Webadressen umfasst, wird vom Innenministerium selbst erstellt. Doch die Geheimniskrämerei der Beteiligten und das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für das Vorhaben, das bis 2010 fest implementiert sein soll, stößt nun immer mehr Beobachtern sauer auf.

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(Stefan Krempl) / (jk)