Nach Microsofts Hailstorm -- My Services verhagelt

Ohne viel Aufsehen hat sich Microsoft offenbar von seinem ursprünglich als Hailstorm betitelten Konzept integrierter Internet-Dienste verabschiedet.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans-Peter Schüler

Ohne viel Aufsehen hat sich Microsoft offenbar von seinem ursprünglich als Hailstorm betitelten Konzept integrierter Internet-Dienste verabschiedet. Wie die New York Times berichtet, hat Microsoft in neun Monaten intensiven Werbens keine Partner für das inzwischen in My Services umgetaufte Projekt gewinnen können. Ein .NET-Berater, den die US-Zeitung nicht namentlich zitiert, spricht von einem "unglaublichen Widerstand bei Kunden".

Das Ziel von My Services war, wichtige Dienste wie E-Mail, Adress- und Terminverwaltung auf Basis einer zentralen Datenbank mit den Profilen der Kunden zu integrieren. Schon kurz nach Erscheinen hatten allerdings die Nutzerbedingungen, die Microsoft für den mit My Services verwobenen Anmelde- und Identifizierungsdienst Passport proklamierte, Ärger ausgelöst. Dort nahm sich der Redmonder Riese das Recht heraus, persönliche Informationen "zu benutzen, ändern, kopieren, verteilen, (...) oder verkaufen". Selbst prompte Rettungsversuche durch entschärfte neue Vereinbarungen kamen jedoch offenbar zu spät für die Rettung des Gesamtkonzepts.

Szene-Beobachter Paul Thurrott bezeichnet My Services als großartigen Plan mit fatalem Mangel: Trotz zustimmender Äußerungen hätten sich weder American Express noch Expedia oder eBay auf die erwarteten Service-Gelegenheiten eingelassen.

Am Beispiel von American Express lässt sich der Sinneswandel im Markt nachvollziehen: Als Microsoft seine Hailstorm-Pläne im März 2001 ankündigte, hatte der Chief Information Officer des Kreditkartenunternehmens erklärt, diese Technik "eröffne aufregende Gelegenheiten, das Web in ungeahnter, neuer Art und Weise zu nutzen und unübertroffene Kundendienste anzubieten". Später äußerte sich das Unternehmen mit Bedenken, in einer angedachten Partnerschaft durch Microsofts Markenzeichen in den Hintergrund gedrängt zu werden. Jetzt hingegen will American Express nie etwas konkret mit Microsofts My Services im Sinn gehabt haben, sondern sich nur allgemein für die Möglichkeit integrierter Internet-Dienste interessiert haben, schreibt die New York Times. Anscheinend gibt es noch mehr Unternehmen, denen die Idee mit den Diensten grundsätzlich gefällt, die aber nicht zu einer solchen gewaltigen öffentlichen Datenbank beitragen wollen, wie Microsoft sie zusammentragen wollte. Marktbeobachter melden profunde Vorbehalte, Microsoft könne sich mit seinem PC-System-Monopol und seiner .NET-Software in einem breiten Bereich von Dienstleistungsgeschäften festsetzen.

Die neue Marschroute, die sich Redmond nun zurecht gelegt haben soll, baut darauf, My Services im nächsten Jahr als Softwareprodukt für Industriekunden auf den Markt zu bringen. Damit könnten sich nicht nur die Monopolängste am Markt legen, sondern außerdem könnten Unternehmen ihre Dienste anbieten, ohne einen Mittelsmann zwischen sich und ihren Kunden dulden zu müssen.

Bei Microsoft steht derzeit niemand für einen Kommentar der Lage zur Verfügung; für niemanden: Auch der unter Microsoft-Beteiligung betriebene Nachrichten-Service MSNBC kann sich in Ermangelung eigener Informationen nur auf die New York Times beziehen. Immerhin stellt er den interessanten Bezug des Hailstorm-Scheiterns mit dem Fortgang von Rick Beluzzo her, der bei seinem Job-Antritt Hailstorm als eine seiner höchsten Prioritäten bezeichnete. (hps)