Open Source made in Europe beflügelt Smart Cities weltweit

Länder wie Indien und Japan nutzen Open-Source-Komponenten der europäischen Fiware-Initiative, um Städte intelligenter zu machen und Daten zu teilen.

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(Bild: jamesteohart / Shutterstock.com)

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Die 2011 als Future Internet Public-Private Partnership mithilfe der EU-Kommission gestartete Fiware Foundation hat sich nach eigenen Angaben zu einem der größten Open-Source-Ökosysteme weltweit und führenden Anbieter von frei verfügbaren Softwarekomponenten für Smart Cities entwickelt.

Indien etwa baut eine Datendrehscheibe in Form der India Urban Data Exchange Platform mit offenen und standardisierten Programmierschnittstellen sowie Datenmodellen von Fiware auf, in Europa hat eine Arbeitsgruppe im Rahmen des Cloud-Projekts Gaia-X losgelegt.

Die staatlich-private Initiative liefere Software-Komponenten für "intelligente Städte", erläuterte Fiware-Chef Ulrich Ahle am Mittwoch bei einer Online-Konferenz der Denkfabrik OpenForum Europe. Sie habe keine vollständigen Plattformen und Lösungen wie Smart Parking oder fürs digitale Müllmanagement im Angebot, sondern setze auf eine standardisierte Architektur und Programmierschnittstellen (APIs). Zu den wichtigsten gehöre das "Next Generation Service Interface", wobei es sich um einen formalen ETSI-Standard fürs Kontextinformationsmanagement handle.

Indien habe 2014 ein milliardenschweres Smart-Cities-Programm für zunächst 100 Städte aufgelegt, berichtete der ehemalige Atos-Manager. Jede der beteiligten Gemeinden habe zunächst "ein eigenes Silo gebaut und das Rad neu erfunden". Dieser Ansatz tauge nicht, um Synergien für tausende andere indische Städte zu entwickeln, sei der Regierung in New Delhi vor zwei Jahren aufgefallen. Sie habe daher die Strategie geändert und setze nun auf die Fiware-Bausteine für Smart Cities sowie "andere Open-Source-Software".

Erst vor wenigen Wochen habe der zuständige Minister die Verfügbarkeit der Plattform angekündigt und die ersten zehn Pilotstädte bekannt gegeben, führte Ahle aus. Auch die Schwesterorganisation Open and Smart Agile Cities (OASC) sei bei derlei Projekten mit im Boot und stelle dafür Mindestanforderungen auf.

Ähnliche Initiativen seien in Japan im Gange, in den USA gehe Fiware gerade mit Red Hat als Partner an den Start. In der EU setzt etwa Wien auf die offenen Softwaremodule der Allianz, die sich auf ihrem Heimatkontinent nun über Gaia-X neue Einsatzbereiche erschließen will.

Smart Cities sind für Thomas Skordas, Leiter der Abteilung für digitale Exzellenz bei der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Kommission als wichtigen Bestandteil des Grünen Deals. Offene digitale Plattformen sollen ihm zufolge klimafreundliche Städte der Zukunft ermöglichen. Open Data und Open Source hälfen hier, die Lizenz- und Betriebskosten von IT-Systemen zu reduzieren, einen Lock-in zu verhindern sowie den Wettbewerb, die Innovation und die Unabhängigkeit von großen Softwareherstellern zu stärken.

Moderatorin Leslie Hawthorn, Ulrich Ahle, Pedro Viana, Thomas Skordas & Peter Geršak.

Digitale Zwillinge von Städten, also mit Künstlicher Intelligenz (KI) vorangetriebene Modelle und Simulationen, können dem Informatiker zufolge helfen, smarte Gebäude einzuschließen sowie Energieverschwendung und Luftverschmutzung von vornherein zu vermeiden. Ein solcher Ansatz helfe, die Bürger einzubeziehen.

Derzeit preschten vor allem südeuropäische Kommunen mit Smart-City-Konzepten und zugehörigen Investitionen vor, da Gemeinden im Norden offenbar schon recht weit entwickelt seien. "Wir halten bisherige Smart-City-Ansätze nicht für erstrebenswert", erteilte Pedro Viana, Leiter der Abteilung für digitale Transformation bei der portugiesischen Agentur für Verwaltungsmodernisierung, von Konzernen wie IBM, Google, Oracle, Cisco, Siemens und der Deutschen Telekom getriebenen Lösungen eine Absage.

Intelligente Städte und Regionen sollten für die Bürger da sein und den Umweltschutz voranbringen. Portugal plane, mit einer übergeordneten Behörde Bausteine für nahtlose Dienste zu entwickeln: "Wir investieren vor allem in Interoperabilität zwischen verschiedenen Städten."

Die slowenische Regierung habe im Februar eine Ausschreibung für digitale Systeme für Kommunen etwa in den Bereichen Gesundheit, Transport, Tourismus und Sicherheit gemacht, erklärte Peter Geršak, Staatssekretär im Ministerium für die öffentliche Verwaltung. Dabei würden offene Standards vorgeschrieben. "Wir suchen Partnerfirmen, die Referenzprojekte entwickeln", hob er hervor. Ziel sei es, aggregierte Daten aus Städten und Gemeinden an einen Server zu schicken und dann als Open Data zu veröffentlichen, um darauf aufbauend weitere intelligente Lösungen zu ermöglichen.

Einen auf einer Open-Source-Plattform beruhenden Open Data Hub hat Slowenien laut Geršak bereits aufgesetzt in Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft. Die darüber verfügbaren Datensets könnten etwa für das Training von Algorithmen verwendet werden. Künftig sollten kommunale Messwerte über das erweiterte Verfahren quasi in Echtzeit integriert werden.

Der Politiker verwies auf die gemeinsame Erklärung Living-in.eu von bislang 86 Vertretern der lokalen, regionalen, nationalen oder europäischen Verwaltung, um die digitale und nachhaltige Transformation von Kommunen voranzubringen. Dabei gehe es auch um standardisierte Verwaltungsmodelle etwa für die elektronische Rechnung. Wenn Slowenien im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehme, wolle man im Herbst einen digitalen Zwilling für den ganzen Staat vorstellen. Geplant sei zudem gleich für Juli eine Konferenz über Smart Cities und Gemeinschaften. Fiware-CEO Ahle schlug vor, generell besser den Begriff Smart Communities zu nutzen, um auch ländliche Räume einzuschließen.

(kbe)