EU-Forschung soll abgeschottet werden

Die Europäische Union will Nicht-Mitgliedsstaaten von der Teilnahme an sensiblen Forschungsprojekten ausschließen. Das ist keine gute Idee.

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(Bild: RossHelen / Shutterstock.com)

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Das musste ja so kommen: Aus einem Entwurf für die Regeln zum neuen Langzeit-Forschungsprogramm Horizon Europe geht hervor, dass die EU Teile ihrer langfristigen Forschung offenbar als besonders sensibel ansieht, und nur noch EU-Staaten daran beteiligen will. Das berichtet das Science Magazin.

Nun könnte man sagen: Ist doch logisch.Schließlich kann die EU ihr Wissen und ihren technischen Fortschritt nicht mit der ganzen Welt teilen, oder? Nun gibt es allerdings Fremde und Fremde. Einige Fremde sind sozusagen gute Nachbarn - wie die Schweiz und Israel. Mit denen gibt es schon lange eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit bei der Forschung. Andere, wie Großbritannien, haben quasi grade noch zur Familie gehört - und haben extra vor dem Austritt Abkommen verhandelt, die eine weiter Zusammenarbeit bei der Forschung sichern sollen.

Das gilt natürlich auch weiter, sagt die EU. Aber nicht für besonders sensible Bereiche. Demnach betrifft die Einschränkung zunächst Forschungsprojekte aus dem Bereich Quantencomputing und Raumfahrt. Im ersten Entwurf der Kommission sollten die Einschränkungen vor allem Israel, die Schweiz und Großbritannien betreffen. Offenbar wurde hinter den Kulissen jedoch eifrig verhandelt, denn am 18. März berichtete Science Business, dass die Schweiz bei Quant-Projekten wieder im Boot ist, nicht jedoch bei Raumfahrtprojekten.

Wie auch immer diese Geschichte ausgehen wird, sie markiert eine Zäsur. Nachdem die EU lange - und sehr wolkig - über die Technische Souveränität gesprochen hat, und in diversen Papieren Europa als Epizentrum grüner Technologie abfeiert, sehen die konkreten Maßnahmen weniger schön aus: In Zeiten wachsender nationaler Spannungen sieht man offenbar mehr Gewinn darin, sich einzuigeln.

Eine Analyse von Wolfgang Stieler

Nach dem Studium der Physik wechselte Wolfgang Stieler 1998 zum Journalismus. Bis 2005 arbeitete er bei der c't, um dann als Redakteur der Technology Review zu wirken. Dort betreut er ein breites Themenspektrum von Künstlicher Intelligenz und Robotik über Netzpolitik bis zu Fragen der künftigen Energieversorgung.

Nicht, dass das wirklich überraschend wäre. Protektionismus hat schließlich Hochkonjunktur, und auch wenn Trump nicht mehr an der Regierung ist, halten die USA an einer eher konfrontativen Strategie gegenüber China fest. Mittelfristig bedeutet das, dass es zukünftig mindesten zwei Sphären der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung geben wird, die immer weiter auseinander driften. Mit ökonomischem und politischem Druck versuchen die USA, Europa dabei in ihre Sphäre zu integrieren - im Klartext: Die Europäer müssen sich klar und eindeutig für eine Seite entscheiden.

Da liegt es recht nahe, dass eine wachsende Fraktion in der europäischen Politik darauf setzt, eine eigenständige, dritte Position zwischen diesen beiden Lagern zu entwickeln. Was natürlich nur dann gelingt, wenn Europa in Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts - KI, Quantentechnologie, Raumfahrt, (Biotechnologie taucht seltsamerweise in diesen Papieren in der Regel nicht auf) – eigene Kompetenz und Stärke entwickelt. So weit, so logisch. Und da will man halt nicht, dass einem die potenzielle Konkurrenz in die Karten schaut.

Es ist nur leider so, dass diese simple Logik manchmal kontraproduktiv ist. Nehmen wir zum Beispiel das Projekt Aqtion. Das ist eines der Leuchtturm-Projekte der EU in der Quantentechnologie, in dem Forschende einen Ionenfallen-Quantencomputer entwickeln. Weil die Kompetenz europäischer Forschung auf diesem Gebiet ziemlich hoch ist, hätten die Forscher tatsächlich eine Chance, den Googles, IBMs und Baidus dieser Welt den Wind aus den Segeln zu nehmen und mit dieser Quantencomputer-Architektur schneller zum Ziel zu kommen, als alle, die auf supraleitende Qubits setzen. Allerdings sitzen im Konsortium des Projektes Briten und Schweizer. Oder nehmen wir die Quantenkommunikation. Da sind Forscher aus der Schweiz und aus China führend.

Forschung ist ein Paradebeispiel für Zusammenarbeit auf der Basis von gemeinsamen Interessen. Partner tun sich zusammen, um gemeinsam etwas zu erreichen, was sie einzeln nicht tun könnten - oder wenn, dann sehr viel langsamer. Ich weiß: Technischer und wissenschaftlicher Fortschritt ist kein Garant für gesellschaftlichen Fortschritt. Ein Durchbruch in der Quantentechnologie wird die Welt nicht automatisch besser machen.

Aber er vergrößert die Chancen dazu. Probleme hat die Menschheit im Moment schon genug. Wenn wir uns gewaltig anstrengen, kriegen wir die vielleicht noch in den Griff. Die Handbremse sollten wir dabei aber nicht auch noch anziehen. Techno-Nationalismus aber ist eine Handbremse für den Fortschritt.

(wst)