Überwachung: US-Geheimgericht tadelt FBI erneut wegen schweren Missbrauchs

Mindestens zum 2. Mal hat das für die Auslandsaufklärung zuständige US-Gericht Rechtsverletzungen durch das FBI gerügt, das Überwachungsprogramm aber bestätigt.

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FBI-Siegel

"Treue/Redlichkeit, Mut, Integrität" ist das Motto des FBI. Es bleibt beim Anspruch.

(Bild: FBI)

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Der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) rügt erneut voller Sorge das FBI, weil es "im großen Stil" Regeln zum Schutz der Privatsphäre von US-Bürgern verletzt. Dennoch billigt das unter strenger Geheimhaltung agierende US-Gericht die Anwendung der gesetzlichen Klausel im Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) für Massenüberwachung weiter.

In einem jetzt mit Schwärzungen zur Veröffentlichung freigegebenen FISC-Urteil vom 18. November 2020 zählt der Vorsitzende Richter James Boasberg mehrere Fälle auf, in denen FBI-Agenten rechtswidrig nach Informationen über US-Amerikaner in E-Mails gesucht haben, die die National Security Agency (NSA) zuvor ohne individuelle Richtergenehmigungen erhoben hatte. Durch die neuen Beispiele untermauert der Richter ein schon wiederholt zutage getretenes Problem, das er bereits in früheren Entscheidungen angesprochen hatte (siehe FBI-Agenten missbrauchen zehntausendfach Datenbank).

Ein Mitarbeiter eines FBI-Außenbüros hat demnach von April bis Juli 2019 124 Abfragen unter Verwendung von Personenkennungen durchgeführt, die nicht den Standards entsprachen. Dabei handelte es sich beispielsweise um Personen, die bei der "Bürgerakademie" des FBI mehr über die Rolle der Strafverfolgungsbehörden des Bundes lernen wollten. Dazu kamen Bürger, die in FBI-Dienststellen vorstellig wurden, um Reparaturen durchzuführen und Verbrechen anzuzeigen.

Von August bis Oktober 2019 soll ein FBI-Arbeitsgruppenleiter in einem anderen Büro weitere 69 unzulässige Abfragen durchgeführt haben. Andere gemeldete Verstöße betrafen Fahnder, die es verabsäumten, die Abfrage von FISA-Rohdaten für unzulässige Zwecke wie etwa Notrufabfragen zu beenden.

Das FBI soll versucht haben, dem Problem Herr zu werden. Die Polizeibehörde wollte dazu laut "New York Times" neue Systemschutzmaßnahmen einführen und Mitarbeiter besser schulen. Die Coronavirus-Pandemie habe die Ermittler aber zunächst daran gehindert zu prüfen, ob der Ansatz greift. Trotzdem war Richter Boasberg bereit, dem NSA-Überwachungsprogramm die gesetzliche vorgeschriebene Bestätigung zu erteilen, dass alles prinzipiell verfassungskonform ablaufe. Der Inlandsgeheimdienst kann die damit verknüpften Befugnisse also ein weiteres Jahr ausüben.

In dem Urteil geht es um Anordnungen nach Paragraph 702 FISA. Der zuletzt Anfang 2018 verlängerte einschlägige Artikel des Gesetzes zur Auslandsaufklärung erlaubt es der NSA, von nationalen Unternehmen, Ämtern und Einrichtungen wie Telekommunikationsanbietern oder Bibliotheken E-Mails und andere Daten ihrer Kunden anzufordern. Die CIA, das National Counterterrorism Center und das FBI haben ebenfalls begrenzten Zugang zu den Informationsströmen.

Das FBI erhält dabei Kopien abgefangener Nachrichten von und zu Zielpersonen, die es für laufende Ermittlungen zur nationalen Sicherheit als relevant erachtet. Das Volumen belaufe sich auf etwa 3,6 Prozent der Selektoren der NSA, erklärte ein leitender FBI-Beamter Medienvertretern am Montag.

"Section 702" FISA war zusammen mit Paragraf 215 des Patriot Acts, den der US-Kongress mit dem "USA Freedom Act" bereits 2015 erstmals und voriges Jahr erneut überarbeitete, mit den Snowden-Enthüllungen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Die Klausel dient der NSA als Rechtsgrundlage für die weitreichenden Überwachungsprogramme Prism und Upstream, mit der sich der Geheimdienst massenhaft Daten von Internetfirmen beziehungsweise aus Glasfaserleitungen, darunter Unterseekabel, beschafft. Voraussetzung ist allein eine allgemeine Erlaubnis des FISC. Die NSA legte sich nach der öffentlichen Kritik zunächst selbst Schranken auf, die eine extreme Rundumüberwachung verhindern sollen.

(ds)