Verfassungsgerichts-Urteil zum Klimaschutzgesetz: Applaus von allen Seiten

Luisa Neubauer und andere Kläger:innen freuen sich, dass ihre Grundrechte zum Zuge kommen. Derweil gehen SPD-Politiker:innen auf den Koalitionspartner los.

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Klimwandel, Kohlendioxid, Abgase, Abgas, CO2

(Bild: heise online / anw)

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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundes-Klimagschutzgesetz bekommt ein ungewöhnliches Echo: Alle laut werdenden Stimmen begrüßen, dass die Verfassungsrichter Verbesserungen an dem Gesetz fordern, damit es den Freiheitsrechten jüngerer Menschen entspricht.

Gegen das Gesetz beschwert hatten sich neun Jugendliche, darunter Luisa Neubauer von der Bewegung Fridays for Future. "Klimaschutz ist nicht nice-to-have, gerechter Klimaschutz ist Grundrecht, das ist jetzt offiziell", sagte sie laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die neben dem BUND, DUH und anderen die Beschwerde unterstützt hatte. "Ein Riesenerfolg für alle und besonders für uns junge Menschen, die seit über zwei Jahren für ihre Zukunft klimastreiken. Wir werden nun weiter kämpfen, für eine generationengerechte 1,5-Grad-Politik."

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Die bisherigen Vorschriften würden hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschieben. Würde das CO2-Budget schon bis 2030 umfangreich verbraucht, verschärfe dies das Risiko "schwerwiegender Freiheitseinbußen", weil die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper werde.

Das Bundesverfassungsgericht habe damit auch den Mechanismus im Bundes-Klimaschutzgesetz bestätigt, der jährlich sinkende Klimaziele für alle Sektoren vorsehe, kommentierte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Ich hätte gerne ein weiteres Zwischenziel für die 30er Jahre in das Gesetz aufgenommen, doch dafür gab es damals keine Mehrheit."

Auf dieser Schiene Richtung Bundestagswahlkampf fährt auch Schulzes Parteikollege und Finanzminister Olaf Scholz in seiner Replik auf einen Tweet des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU). Nachdem dieser davon geschrieben hatte, das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem "großen und bedeutenden Urteil", das "epochal" sei für den Klimaschutz und die Rechte der jungen Menschen, auf Twitter geantwortet: "Nach meiner Erinnerung haben Sie und CDU/CSU genau das verhindert, was nun vom Bundesverfassungsgericht angemahnt wurde. Aber das können wir rasch korrigieren. Sind Sie dabei?"

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner grätscht dazwischen und nennt das Urteil ein "vernichtendes Zeugnis für den Klimaschutz der Groko". Seine Parteivorsitzende und Kanzlerkandidation Annalena Baerbock erklärte, "Klimaschutz schützt unsere Freiheit und die Freiheit unserer Kinder und Enkel". Baerbocks vergeblicher Gegenkandidat Markus Söder will nach dem Urteil nicht nur das Bundes-, sondern auch das bayerische Klimaschutzgesetz renoviert wissen. Dabei müssten die Unionsparteien "Schrittmacher" sein und dürften nicht anderen hinterherlaufen.

Nun werde es für die Zeit nach 2030 weitere konkrete Vorgaben geben, kündigte Schulze an. "Allerdings wird Deutschland infolge des neuen EU-Klimaziels schon in den 20er Jahren seine bisher geplanten Klimaschutz-Anstrengungen erhöhen", ergänzte sie. Für die Wirtschaft ist laut zuständigen Ministers Altmaier wichtig, dass sie durch die Konsequenzen durch das Urteil Planungssicherheit bekomme.

Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen, die die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat, resümiert: "Abwarten und verschieben von radikalen Emissionsreduktionen auf später ist nicht verfassungskonform. Klimaschutz muss heute sicherstellen, dass zukünftige Generationen noch Raum haben."

(anw)