Baden-Württemberg: Tausende Schulen müssen wieder aus Hochschulnetz ausziehen

Baden-Württembergs Schul-IT-Politik schlingert: Kaum haben sich die Schulen beim Landeshochschulnetz gut eingerichtet, folgt der Rausschmiss aus dem BelWü.

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(Bild: insta_photos/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Unmittelbar vor dem Tag der Arbeit teilte das BelWü den Baden-Württenbergischen Schulen in knappen Worten mit, dass sie mit ihren IT-Services schon bald wieder umziehen müssen. Für 2000 bis 3000 Schulen bedeutet das: Mitten in der Pandemie wird ihnen ihre sichere, datenschutzfreundliche Anbindung über das Landeshochschulnetz aufgekündigt. Eine erste Woge der Empörung schwappte noch am Freitagabend durchs Netz im Ländle.

Ab 1.10. 2021 beginnt das BelWü laut der Mitteilung mit der Abschaltung der Webauftritte, darunter seien Homepages, Wiki, Foren, NextCloud und eigene, selbstverwaltete Moodle-Auftritte zu verstehen. Weil man die Schulen nach und nach abschaltet, soll dieser Prozess sich bis Anfang 2023 hinziehen, heißt es in der Mitteilung. Wer gerade noch geplant hatte, seinen Webserver zum BelWü zu ziehen, dessen Support in den vergangenen Monaten von den Schulen in BaWü viel Lob erhalten hatte, schaut in die Röhre. „Dieser Dienst kann ab dem 01.05.2021 nicht mehr von Schulen bei uns bestellt werden“, heißt es in der Mitteilung des BelWü.

Die zentralen Moodle-Server sind für den Remote-Unterricht und zum Teil für E-Mail-Dienste zuständig, sie sollen „an einen noch zu bestimmenden zentralen Dienstleister“ übergeben werden. Für ihre Webdienstleistungen, aber auch für notwendige Domains und E-Mail-Adressen sollen sich die Schulen bei privaten Dienstleistern versorgen: „Wir können und dürfen ihnen keine alternativen Anbieter vorschlagen. Bitte recherchieren Sie auf dem Markt.“

Die Kehrtwende ist umso drastischer, als gerade in der Pandemie das BelWü als sicheres Dach gesucht wurde. Am Wochenende des 13./14. März 2020 hatten Techniker des BelWü ihren bestehenden 1100 Schul-Moodle-Instanzen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 3886 neue hinzufügt, auf die die ab Montagmorgen auf Remote-Unterricht angewiesenen Schulen zugreifen konnten. Man habe die Schulen nach dem Hilferuf aus dem Kultusministerium unterstützen wollen, hatte Sebastian Neuner, einer der BelWü-"Helden" in einem Vortrag beim DeNOG vor einigen Wochen rekapituliert.

Ausschnitt aus einem Vortrag von Sebastian Neuner zur geglückten Installation der fast viertausend Moodle-Instanzen.

(Bild: Chaos Computer Club (media.ccc.de))

Scherzhaft hatten die Techies die Aktion als Ella 3.0 bezeichnet. Das Ella-Projekt war ein – unter der scheidenden Kultusministerin Eisenmann gestartetes – gescheitertes Digitalisierungsprojekt für die Schulen. Auch die gegen die Empfehlung eines Bündnisses von Organisationen wie dem Chaos Computer Club in Stuttgart noch geplante Einführung von Microsoft 365 steht wegen eines klaren Einspruchs des Datenschutzbeauftragten vor dem Aus.

Gegen den Rausschmiss aus dem Landeshochschulnetz gab es angesichts dieser Entwicklung bereits am Freitagabend heftige Kritik. Der Schritt kam für Rektoren, Administratoren und Lehrer an den durch die Pandemie in den Digitalunterricht katapultierten Schulen offenbar unerwartet.

Da habe man in Baden-Württemberg eine vorbildliche Struktur, die mehr als erfolgreich sei, und dann gebe man das leichtfertig wieder auf, schimpfte ein Administrator auf der Mailingliste des Vereins Linuxmuster.net e.V. und schrieb: „Wir hatten eine Lösung, bei der die Schulen alles aus einer Hand bekamen, wirklich guten Support und nicht zuletzt die Gewissheit, dass die personenbezogenen Daten in guten Händen sind. Das Ende bedeutet insgesamt mehr Aufwand, mehr Kosten und schlechten Datenschutz.“ Die Kosten für individualisierte Lösungen treffen allerdings die kommunalen Schulträger.

Weil eine offizielle Ankündigung des Kultusministeriums und des für das BelWü zuständigen Wissenschaftsministeriums in Stuttgart fehlt, wurde über die Gründe für den Rauswurf schon viel spekuliert. Eine Deckelung der BelWü-Kosten durch den Landesrechnungshof vermuten die einen, Lobbyarbeit für Microsoft die anderen. Spekulationen bezüglich "geputzter Klinken" trat rasch der Leiter der BelWü-Koordination an der Uni Stuttgart, Peter Merdian, entgegen. Auch wenn er wenig Einblick in die Entscheidungsprozesse habe, sehe er keine Stelle, an der ein Lobbyist aktiv gewesen sein könnte, schrieb er an die aufgebrachten Listenteilnehmer.

Die beiden beteiligten Ministerien, die laut der Mitteilung einvernehmlich den Rausschmiß vereinbart haben, konnten sich am Freitagnachmittag nicht mehr zur Frage äußern, was man sich dabei gedacht hat. Für offizielle Stellungnahmen baten die verantwortlichen Pressevertreter um Zeit bis Montag.

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(tiw)