Weniger Datenschutz und mehr Vorratsdatenspeicherung gegen Kinderpornografie?

Nachdem das BKA das Kinderporno-Netzwerk "Boystown" zerschlagen hat, melden sich nun Poltiker mit Forderungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 63 Kommentare lesen

(Bild: Olha Solodenko/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 3 Min.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig freut sich über den jüngsten Ermittlungserfolg des BKA gegen Kinderpornografie, das Entdeckungsrisiko der Pädokriminellen sei aber noch nicht groß genug, sagte er in einem Interview. Es gebe einen "unerträglichen Online-Markt für Missbrauchsabbildungen".

Das BKA hatte kürzlich einen Kinderporno-Ring namens "Boystown" im Darknet zerschlagen, der 400.000 Nutzerkonten hatte. Ein Rückfrage von heise online zu weiteren Hintergründen, beispielsweise beschlagnahmtem Material, hat das BKA noch nicht beantwortet. [Update 4.5.21, 14.53: Laut BKA konnten bei den Durchsuchungen der Verdächtigen umfangreiche Datenträger sichergestellt werden.]

Es müsse "unbedingt im Verhältnis Datenschutz und Kinderschutz in Deutschland nachgesteuert werden" sagte Rörig dem Inforadio des rbb. Oft stehe der Datenschutz dem Kinderschutz Internet noch im Wege. "Wir haben zum Beispiel ein großes Problem in dem Austausch von Missbrauchsabbildungen über Messenger wie WhatsApp oder Telegram. Da ist es für die Polizei nicht möglich, vernünftig zu ermitteln"; das zeige auch der Fall Metzelder mit der Kommissarin Zufall."

Was Rörig genau mit "Verhältnis Datenschutz zum Kinderschutz" meint, erläuterte er in dem aktuellen Interview nicht. Bei früherer Gelegenheit hatte er eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung gefordert, um die Spur zu den Tätern nicht zu verlieren. Ein erster wichtiger Schritt sei, dass Ermittler mit "Keuschheitsproben" Zugang zum Darknet bekommen dürften, sagte Rörig nun.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) wies in diesem Zusammenhang auf ihr langjähriges Engagement bei der Bekämpfung der Kinderpornografie hin. Die Zulassung von "Keuschheitsproben" gehe auf langjährige hessische Initiativen zurück. Seit vorigem Jahr dürfen Fahnder computegenerierte Missbrauchsbilder hochladen. Nun hätten aber die Ermittler immer noch Schwierigkeiten, die Täter zu ermitteln, wenn diese im Internet keine Informationen von sich preisgeben.

"In diesen Fällen ist der digitale Fußabdruck häufig der einzige Anhaltspunkt, den wir haben, an den wir aber nach derzeitiger Rechtslage nur äußerst schwierig herankommen. Es ist völlig unbefriedigend, dass beispielsweise ohne die Verkehrsdatenspeicherung ausschließlich die Täter geschützt werden und nicht die Opfer", sagte Kühne-Hörmann.

Die "Boystown"-Server hätten nach bisherigen Erkenntnissen in Moldau gestanden, teilte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit. Das zeige wieder, wie wichtig auf diesem Gebiet die internationale Zusammenarbeit sei. "Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass das Bundesjustizministerium nicht mehr dafür tut, dass die Verhandlungen über die E-Evidence-Regelungen auf europäischer Ebene, die den Ermittlungsbehörden den Austausch erleichtern würden, endlich Fahrt aufnehmen", heißt es in der einer Mitteilung der Fraktion.

Ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission für den grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln ("E-Evidence") sieht unter anderem vor, dass Justizbehörden aus einem Mitgliedstaat Bestandsdaten sowie Verbindungs- und Standortinformationen und Inhaltsdaten von E-Mails oder Chats unabhängig von deren Standort unmittelbar bei Diensteanbietern anfordern können, die in der EU tätig oder niedergelassen sind.

(anw)