Bundesgerichtshof: Sicherer E-Mail-Dienst Tutanota muss Überwachung ermöglichen

Auf seiner Tournee durch Gerichte ist der E-Mail-Dienstleister Tutao beim Bundesgerichtshof angekommen.

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(Bild: Tutao / heise online)

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Die Tutao GmbH muss einem Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH Folge leisten und die Überwachung von zwei E-Mail-Adressen ermöglichen. Das geht aus einem Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. April 2021 hervor, der heise online vorliegt (2 BJs 366/19-9 VS-NfD). Die Beschwerde der Tutao GmbH sei zulässig, aber unbegründet.

Die von Tutao beanstandete Anordnung der Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnung sei rechtmäßig, heißt es in dem Beschluss. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Unternehmen Telekommunikationsdienste im Sinne des Paragrafen 3 Nr. 24 TKG erbringe, also solche, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen.

Nach Paragraf 100a Abs. 1 Satz 1 StPO muss unter bestimmten Umständen Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, erläutert der Strafsenat weiter. Nach Absatz 4 desselben Paragrafs müsse jeder Telekommunikantionsdienstleister Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei Überwachung ermöglichen.

Versandte oder empfangene E-Mails seien Kommunikation im Sinne der Vorschrift, auch wenn die beim Provider zwischen- oder endgespeichert würden. Das gelte unabhängig davon, ob die Dienstleister zugleich den Internetzugang ermöglichen oder nur Over-the-top-Dienste bereitstellen. Die telekommunikationsrechtliche Einordnung einzelner Dienste ist laut BGH zwar von Belang, "aber nicht ohne Weiteres ausschlaggebend".

Die Hannoversche Tutao GmbH hält diese Entscheidung laut Stellungnahme, die heise online vorliegt, für absurd, da sich StPO und TKG klar widersprächen. Möglich wäre noch eine Verfassungsbeschwere, doch lägen die Hürden dort sehr hoch. Zudem stelle die vom Bundestag verabschiedete Neufassung des TKG E-Mail und Messenger-Dienste zukünftig sehr wahrscheinlich unter das TKG, daher sehe die Tutao GmbH von einer Beschwerde ab.

Diese BGH-Entscheidung des BGH betreffe ausschließlich unverschlüsselt eingehende und ausgehende E-Mails. "Daten die in Tutanota bereits verschlüsselt wurden oder E-Mails, die Ende-zu-Ende verschlüsselt versendet werden, können wir nicht entschlüsseln. Dies ist und bleibt technisch unmöglich", erklärt Tutao.

Tutao richtet seinen Dienst Tutanota vor allem an Kunden, denen Datenschutz und -sicherheit besonders wichtig sind. Diese zahlen dafür ab 12 Euro jährlich. Die (ausschließlich) verschlüsselte Speicherung sämtlicher E-Mails und sonstiger Kundendaten – etwa in der integrierten Kalender- und Notizen-Funktionen oder im Cloud-Speicher – ist Standard, anders als bei den meisten anderen Anbietern. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist beim E-Mail-Austausch zwischen zwei Tutanota-Accounts automatisch aktiviert.

Auf seinen Servern eingehende unverschlüsselte Mails verschlüsselte der Provider bislang nachträglich – automatisiert und ohne vorherige Anfertigung einer Kopie des Klartexts. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Itzehoe erweiterte das Unternehmen seinen Dienst um eine Funktion, die Ermittlern unter Vorlage einer Gerichtsanordnung das (Mit-)Lesen von E-Mail-Kopien im Klartext ermöglicht.

Nach dem "Gmail-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs vom Juni 2019 deaktivierte Tutao die Funktion wieder, da das Unternehmen seitdem nicht mehr verpflichtet werden könne, Telekommunikation zu überwachen. Das Landgericht Köln wiederum zwang Tutato im November vorigen Jahres dazu, die Funktion wieder zu aktivieren. Auf das "Gmail-Urteil" bezog sich aktuell auch der BGH in dem Sinne, dass es nicht entscheidend darauf ankäme, ein elektronischer Kommunikationsidenst im Sinne der Richtlinie 2009/140/EG zu sein.

(anw)