Diversität: EU-Kommissarin Vestager will mehr Frauen im IT-Sektor

EU-Digitalkommissarin Margrethe Vestager hält eine diverse Tech-Community für unverzichtbar. Nur so könne eine unvoreingenommene KI sichergestellt werden.

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(Bild: fotoinfot/Shutterstock.com)

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Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission für Digitales, will mehr Frauen ermuntern, in der IT-Branche zu arbeiten. "Wir müssen alte Vorstellungen in Rente schicken", was nötig sei, um im Tech-Sektor erfolgreich zu sein, forderte die Dänin am Freitag auf der virtuellen Internetkonferenz re:publica. "Es ist entscheidend, mehr Frauen in diesen Bereich zu bringen." Dafür könne es helfen, das Bild von der Branche und IT-Berufen zu erweitern, um die dortigen Jobs interessanter für alle zu machen.

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In Europa sind Schätzungen zufolge weniger als 20 Prozent der IT-Fachkräfte weiblich, in Deutschland lag die Quote in den vergangenen Jahren bei rund 17 Prozent. "Wenn das EU-Parlament eine solche Zusammensetzung hätte, würden wir auf die Straße gehen", betonte Vestager. Die Leute verlangten einen Wandel und mehr Diversität. Gerade die IT-Branche müsse "eine vielfältige Gemeinschaft sein". Um sicherzustellen, dass Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI) nicht voreingenommen sind, sei es wichtig, dass Menschen – und vor allem diverse Teams – am Drücker blieben.

Die Digitalpolitikerin legte die ambitionierten Pläne der Kommission zum Einhegen der großen Plattformen mit dem Entwurf für einen Digital Services Act (DSA) sowie den geplanten Regeln für KI jüngst vor. Im Kern gehe es dabei darum, "digitale Technologien in vollem Umfang für eine inklusive Gesellschaft zu schaffen" und die damit verknüpften Versprechen etwa eines besseren Gesundheitssystems und eines Breitbandinternets für alle zu erfüllen. Dafür sei es aber entscheidend, zunächst Vertrauen in die Technik aufzubauen.

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Vestager verteidigte den Ansatz der Brüsseler Regierungsinstitution, biometrische Identifizierungstechnologien wie die automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum entgegen dem Appell aus der Zivilgesellschaft nicht komplett zu verbieten. Im Prinzip werde eine Identifizierung aus der Ferne in Echtzeit untersagt, erläuterte die 53-Jährige. Es gebe aber einige Ausnahmen. So dürfte die Polizei solche Verfahren einsetzen etwa für Suche nach vermisstem Kind oder nach Terrorverdächtigen sowie auch sonst im Kampf gegen schwere Straftaten.

Europa sei "kein Kontinent der Massenüberwachung", beteuerte die Kommissarin. Auch Social Scoring durch den Staat dürfe daher nicht geduldet werden. In China könnten die Behörden im Rahmen von Tests des geplanten Sozialkreditsystems genau verfolgen, "was du machst". Sie vergäben Punkte, die über den Zugang zu Diensten wie Reisen entschieden. "Das hat keinen Platz in unserer Gemeinschaft", unterstrich Vestager. Es sei nicht Aufgabe des Staates, auf diese Weise Leute zu maßregeln, die bei Rot fahren oder die Miete zu spät zahlen.

Beim Einsatz von Algorithmen zum Auswerten von Daten mithilfe von Scoring, wie ihn etwa die Schufa zum Prüfen der Kreditwürdigkeit durchführt, gibt es laut der Liberalen aber auch legitime Szenarien. Sie verwies auf eine Versicherungsfirma in ihrer Heimat Dänemark, die günstigere Tarife für Autofahrer anbiete, die einer Kontrolle ihres Fahrstils durch eine App zustimmten. Hier gebe es eine direkte Verbindung zwischen dem Tracking und einem Mehrwert für den Nutzer. Datenschützer beäugen auch solche "Kopplungsgeschäfte" aber äußerst kritisch.

Enttäuscht zeigte sich Vestager, dass das in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verankerte Prinzip von "Privacy by Design" nur sehr langsam aufgegriffen werde. Vielen Nutzern fehle schlicht die Zeit, sich intensiv mit Voreinstellungen auf ihrem Mobiltelefon oder Auswahloptionen für Cookies auseinanderzusetzen. Die Technologie sollte hier eigentlich helfen und die Programmierer sollten endlich liefern. Um entsprechende Innovationen zu fördern, könnten mehr Hackathons mit Teilnehmern auch aus Start-ups und von Universitäten sowie regulatorische Spielplätze ("sandboxes") helfen.

Skeptisch äußerte sich die Kommissarin zu dem Vorschlag, einen Fördertopf für Open Source & Co. nach dem Vorbild des US-amerikanischen Open Technology Fund einzurichten. Es brauche zwar einen europäischen Werkzeugkasten für bahnbrechende Innovationen. Fürs Geld seien aber die einzelnen Mitgliedsstaaten zuständig, denen hin und wieder ein "kultureller Wandel" in dieser Hinsicht gut stände. Auf EU-Ebene gebe es etwa schon das Satellitenprogramm Galileo oder Initiativen für High-Performance Computing (HPC), deren Daten und Kapazitäten auch kleine Firmen nutzen könnten.

Generell gebe es in der EU genug Plattformen im Bereich Technik und Internet, meinte Vestager. Oft seien diese aber nicht hinreichend attraktiv und würden wenig genutzt. Statt in diesem Wettbewerb mit den USA und China nur aufholen zu wollen, sei es besser, auf das nächste Kapitel zu blicken und die Digitalisierung von Sektoren wie Energie, Mobilität, Industrie 4.0 und der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben.

(tiw)