Mit Fake-App AN0M gegen Drogenhandel: Razzien in 16 Ländern

11.000 Verbrecher sind laut australischen Medien auf einen angeblich verschlüsselnden Dienst namens AN0M hereingefallen. Nun klicken richtig viele Handschellen.

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Handy mit AN0M-Logo, dahinter eine Rauchwolke, rundherum roter Rahmen

Werbesujet der AN0M-App

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Inhaltsverzeichnis

So ein Schlag gegen illegalen Drogenhandel dürfte noch nie gelungen sein: In ungefähr 18 Ländern wurden am Montag bei Durchsuchungen enorme Mengen Drogen, Geld und andere Vermögenswerte beschlagnahmt, Verdächtige verhaftet und Anklagen ausgesprochen. Gelungen ist das laut australischen Berichten dank einer eigens aufgesetzten App namens AN0M. Die Verdächtigen glaubten demnach, einen besonders sicheren Kommunikationsdienst zu nutzen, und zahlten dafür Gebühren.

Die tagesschau berichtete Montagabend, dass sich das FBI Zugang zu Daten eines Anbieters verschlüsselter Kommunikation verschafft habe. Laut australischen Medienberichten war es anders: Offenbar hat das FBI den "verschlüsselten" Kommunikationsdienst AN0M 2018 aufgesetzt und gemeinsam mit der Australischen Bundespolizei AFP abgehört. Das Ziel war, Straftäter anzulocken, abzuhören und einzulochen.

Beim FBI läuft das Projekt unter dem Namen Operation Trojan Shield, in Australien unter Operation Ironside, in Neuseeland als Operation Spyglass. Europol, die internationale Koordination übernommen hat, hält Dienstag um zehn Uhr eine Pressekonferenz. Auch in den USA haben Behörden Pressekonferenzen anberaumt. Der juristische Vertreter des FBI in Australien, Anthony Russo, betonte die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit gegen organisiertes Verbrechen.

Ausgedacht haben sich das laut australischen Medienberichten ein IT-Experte der australischen Bundespolizei AFP beim Genuss einer legalen Droge mit FBI-Agenten. Nach Außen erschien AN0M als geheimnistuerischer Kommunikationsdienst mit Sitz in Panama und starker Verschlüsselung. Normale User konnten die App nicht so einfach herunterladen, weil schon für den Zugriff auf die Webseite ein Einladungscode erforderlich ist.

Behörden installierten laut den Berichten die AN0M-App auf Handys, die sie über Mittelsmänner in der Unterwelt zu verbreiten wussten. 11.000 Verdächtige sollen in diese Falle getappt sein. Fast drei Jahre lang haben Ermittler die Unterhaltungen abgehört und dabei 27 Millionen Nachrichten mitgeschnitten. Dabei soll es neben Drogenhandel, Geldwäsche und Waffendeals auch um Mordaufträge gegangen sein. Am Montag kam es zum großen Zugriff auf mindestens drei Kontinenten.

Am Dienstag waren Polizisten in Deutschland, Österreich, Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, den USA und etwa zehn weiteren Ländern schwer im Einsatz. Deutsche Spezialkräfte dürften noch nie einen so arbeitsamen Tag gehabt haben. Alleine in Hessen sollen rund 60 Objekte durchsucht worden sein, darunter Labore, Hanfplantagen und Drogenbunker. Die großangelegte Abhöraktion soll zudem Handel mit Kriegswaffen und verbotenem Waffenzubehör, Geldwäsche und andere Straftaten aufgedeckt haben.

Australische Behörden geben an, 21 Morde verhindert zu haben. Am Montag wurden dort mit 4.500 Beamten nicht weniger als 500 Hausdurchsuchungen vollstreckt, mehr als 200 Verdächtigte angeklagt, mehrere Tonnen Drogen, über 100 Schusswaffen und umgerechnet mehr als 28 Millionen Euro in Bar und Gegenständen beschlagnahmt. Umgehend forderte Premierminister Scott Morrison mehr Geld und mehr Macht für die Polizei, darunter Abhören in fremden Ländern.

Die Polizei Neuseelands hat gemeinsam mit Zollamt, Küstenwache und Militär ebenfalls Drogen, Waffen und Geld beschlagnahmt. Unter den dingfest gemachten Verbrechern seien mehrere Auftragsmörder. In Australien sollen 1650 Handys mit der doch-nicht-sicheren App AN0M in Umlauf gewesen sein, in Neuseeland 57.

AN0M-Profile in sozialen Netzwerken sind am Montag gelöscht worden. Auch von der Webseite sollen Inhalte sowie der Support-Chat entfernt worden sein. Aus den Keyword-Tags der Homepage geht hervor, dass AN0M sowohl Textnachrichten als auch Sprachkommunikation angeboten und dabei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit Verfahren wie AES, Argon2 und OMEMO vorgegaukelt hat. Die Identität der User werde nicht erfasst, versprach AN0M.

Lediglich das Datum der Kontoerstellung und das Datum der jüngsten Verbindung würde gespeichert, steht auf der AN0M-Seite. Und auch diese Informationen würden nur auf Befehl panamaischer Behörden verraten, nach Zahlung einer Gebühr von mindestens 2.000 US-Dollar und Wartezeit von mindestens zwei Wochen. Zudem würde jeder betroffene Nutzer sofort über solche Behördenanfragen informiert, damit er sich vor Gericht dagegen wehren könne.

[Update 1:51 Uhr, 2:18 Uhr:] Diverse Zahlen anhand neuester Angaben australischer Behörden aktualisiert. [/Update]

(ds)