Gesichtserkennung: Globaler Appell zum Verbot biometrischer Überwachung

175 zivilgesellschaftliche Organisationen, Aktivisten und Forscher aus der ganzen Welt fordern ein Verbot des Einsatzes biometrischer Überwachungstechnik.

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(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

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Instrumente zur Identifizierung von Menschen aus der Ferne wie Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung sind in der Lage, die Betroffenen auf Schritt und Tritt zu verfolgen und auszusondern sowie Profile über sie zu erstellen. Sie untergraben so die Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Diesen Alarm schlägt eine Allianz aus 175 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Aktivisten und Forscher aus der ganzen Welt. Sie fordert in einem offenen Brief an Gesetzgeber daher einen globalen Bann biometrischer Überwachungstechnik im öffentlichen Raum.

Das Verbot müsse für Regierungen, Strafverfolgungsbehörden und private Akteure gelten, schreibt das Bündnis. Es will einen Schlussstrich unter die Entwicklung einschlägiger Instrumente für eine massenhafte oder diskriminierende gezielte Überwachung gezogen wissen. Diese stellten einen Angriff auf die Privatsphäre und den Datenschutz dar, "verschärfen Ungleichheit sowie Diskriminierung und haben das Potenzial, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit mundtot zu machen". So werde es noch einfacher, legitimen Protest zu kriminalisieren.

Auf die Beine gestellt haben die Allianz Access Now, Amnesty International, European Digital Rights (EDRi), Human Rights Watch, die Internet Freedom Foundation (IFF) und die brasilianische Verbraucherschutzorganisation Instituto Brasileiro de Defesa do Consumidor (IDEC). Zu den Erstunterzeichnern gehören auch Institutionen wie AlgorithmWatch, der Chaos Computer Club Luxemburg, Digitalcourage, Digitale Gesellschaft, Electronic Privacy Information Center, Epicenter.works, La Quadrature du Net, Privacy International und Statewatch. Die Kampagne steht für weitere Unterstützer offen.

Die Beteiligten wollen erreichen, dass alle öffentlichen Investitionen in biometrische Techniken zur massenhaften oder gezielten Überwachung gestoppt werden. Weder öffentliche Einrichtungen noch private Unternehmen dürften sie nutzen oder vorantreiben. An Investoren richtet sich der Appell, die von ihnen finanzierten Firmen aufzurufen, entsprechende Entwicklungen oder den Vertrieb solcher Werkzeuge einzustellen.

US-Konzerne wie Amazon, Microsoft und IBM haben den Verkauf von Programmen zur Gesichtserkennung an die Polizei bereits dauerhaft oder vorübergehend gestoppt. Offenbar seien ihnen die problematischen Auswirkungen bewusst, heißt es von dem Bündnis. Der folgerichtige zweite Schritt wäre es aber, die Finger ganz von solchen Instrumenten zu lassen.

"Gesichtserkennung und verwandte biometrische Erkennungstechnologien haben keinen Platz in der Öffentlichkeit", betonte Daniel Leufer, Analyst für Europapolitik bei Access Now. Sie schafften gefährliche Anreize für Diskriminierung und eine unverhältnismäßige Anwendung, sodass sie "hier und jetzt verboten werden müssen". Viele Regierungen beriefen sich auf die öffentliche Sicherheit und behaupteten, "dass sie rechtliche Schutzmaßnahmen ergreifen", ergänzte Leufers für Lateinamerika zuständige Kollegin Verónica Arroyo. Die Erfahrung zeige, dass damit die schädlichen Folgen der Technik nur verschleiert würden.

Die EU-Kommission will mit ihrem Gesetzespaket für Künstliche Intelligenz (KI) Echtzeit-Gesichtserkennung weitgehend untersagen. Damit blieben aber Ausnahmen möglich für die Verfolgung besonders schwerer Verbrechen. Bürgerrechtsgruppen drängen mit der Europäischen Bürgerrechtsinitiative "Reclaim Your Face" dagegen auf dem alten Kontinent schon seit ein paar Monaten für ein komplettes Verbot biometrischer Massenüberwachung.

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(olb)