Bundesweites Kfz-Kennzeichen-Scanning: "Verfassungskonforme Ausweitung denkbar"

Die Große Koalition hat sich auf einen Rechtsrahmen für den bundesweiten Einsatz von AKLS geeinigt. Es wird bereits darüber nachgedacht, ihn auszuweiten.

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Automatisiertes Kennzeichenlesesystem (AKLS)

(Bild: Jenoptik)

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Das Vorhaben der Bundesregierung, eine einheitliche Rechtsgrundlage für das Kfz-Kennzeichen-Scanning zu schaffen, geht voran. CDU/CSU und SPD haben dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags einen Änderungsantrag zum "Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften" vorgelegt. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass eine künftige Ausweitung des Kfz-Kennzeichen-Scanning nicht endgültig vom Tisch ist.

Das Gesetz sieht in Paragraf 163g unter anderem vor, sogenannte automatisierte Kennzeichenlesesysteme (AKLS) im öffentlichen Verkehrsraum insbesondere zu Fahndungszwecken einzusetzen. Damit sollen laut Gesetzentwurf (PDF) "Regelungslücken im Bereich der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse behoben werden". Ohne das Wissen der betroffenen Personen dürfen Kfz-Kennzeichen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung automatisch erhoben werden, wenn Anhaltspunkte für eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen. Die Daten dürfen nur vorübergehend und nicht flächendeckend erhoben werden.

Laut dem netzpolitik.org vorliegenden Änderungsantrag hatte der Bundesrat um Prüfung gebeten, ob der AKLS-Einsatz auch auf weitere Ermittlungszwecke als die bisher vorgesehenen erweitert werden könne und ob Kfz-Kennzeichen vorübergehend auch ungefiltert gespeichert werden dürfen. Während juristische Sachverständige aus "Sicht der staatsanwaltlichen Praxis" dafür plädiert hätten, empfiehlt der Rechtssauschuss den ausgeweiteten AKLS-Einsatz nicht, da dieser mit einem intensiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sämtlicher Verkehrsteilnehmer verbunden wäre. "Ein derart eingriffsintensiver Einsatz von AKLS, der mit einer ungefilterten Speicherung von Kennzeichen sämtlicher Verkehrsteilnehmer verbunden ist", sei bislang im deutschen Recht nicht vorgesehen.

Der Ausschuss empfiehlt, zunächst mit dem künftigen Kfz-Kennzeichenscanning Erfahrungen zu sammeln und diese auszuwerten. Dann könne weiter darüber entschieden werden, den AKLS-Einsatz auszuweiten, denn eine "verfassungskonforme Ausgestaltung erscheint denkbar". Allerdings müsse vorher sorgfältig geprüft werden, unter welchen Anordnungs- und Verfahrensvoraussetzungen das passieren müsste, damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichend gewahrt werde.

Für die Gefahrenabwehr werden Kfz-Kennzeichen schon seit vielen Jahren anlassbezogen polizeilich in zahlreichen Bundesländern gescannt, allerdings verbunden mit erheblichen Rechtsunsicherheiten, hatte die Regierung im Januar dieses Jahres erläutert. Bisher könne höchstens mit Berufung auf Paragraf 100h StPO gescannt werden. Dieser bestimme aber nur allgemein, dass "auch ohne Wissen der betroffenen Personen außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt werden dürfen", um den Aufenthaltsort eines Beschuldigten herauszufinden; damit werde nicht erlaubt, Kennzeichen mit Datenbanken abzugleichen.

Vor allem in Brandenburg gibt es Widerstand gegen den AKLS-Einsatz, dort werden nach Angaben von netzpolitik.org 40 Millionen Kennzeichen gespeichert, eine Verfassungsbeschwerde ist anhängig. Mit dem neuen Gesetz würde die brandenburgische Praxis hinfällig. Datenschutz-Aktivisten kritisieren an dem Gesetzesvorhaben, damit solle bundesweit legalisiert werden, was schon auf Länderebene äußerst umstritten ist.

(anw)